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Stadtchronist publiziert Früchte seiner Arbeit

Die darbende Medienlandschaft macht es Daniel Gaberell (55) nicht gerade einfach, Langenthals Stadtchronik mit Inhalten zu füllen. Zu viele Lücken klaffen unterdessen auch in der regionalen Berichterstattung. Nichtsdestotrotz hat der Stadtchronist, der seit August 2023 im Amt ist, soeben die alle zwei Jahre erscheinende Publikation herausgegeben. Ein Porträt über die Funktion eines Mannes, der offiziell als «Hüter und Vermittler von Langenthals Geschichte» gilt.

 

Als Hüter und Vermittler der Stadtgeschichte ist Daniel Gaberell oft in den verschiedenen Archiven der Stadt Langenthal tätig, hier beispielsweise im Hauptarchiv, das unter der Kaffee-Fabrik im «Telekom-Gebäude» an der Bahnhofstrasse 16 untergebracht ist.
Als Hüter und Vermittler der Stadtgeschichte ist Daniel Gaberell oft in den verschiedenen Archiven der Stadt Langenthal tätig, hier beispielsweise im Hauptarchiv, das unter der Kaffee-Fabrik im «Telekom-Gebäude» an der Bahnhofstrasse 16 untergebracht ist.

 

Dieser Artikel ist am 28. Januar 2025 in der Lokalzeitung Unter-Emmentaler erschienen.

 

In diesen Tagen hat Stadtchronist Daniel Gaberell die neueste «Chronik über die Stadt Langenthal» publiziert. Zu finden ist das 90-seitige Werk online, und zwar auf www.stadtchronist.ch sowie auf der städtischen Website unter der «Geschichte Langenthals». Die Publikation umfasst die Jahre 2023 und 2024 – von Anfang Januar bis Ende Juli 2023 wurde die Chronik noch von Gaberells Vorgängerin Martina Moser (Gemeinderätin SP) geführt, von Anfang August 2023 bis Ende 2024 dann von Daniel Gaberell selbst.

 

Der zweijährige Erscheinungsrhythmus ist seit vielen Jahrzehnten – konkret: seit Beginn der Chronik (1959/1960) – gleich. Allerdings: Auf die Herausgabe einer gedruckten Version wird seit einigen Jahren verzichtet. «Es gibt einfach keinen Markt mehr dafür – für ein umfassendes Printdokument, das die zurückliegenden Ereignisse einer Stadt chronologisch auflistet, findet man heute schlicht zu wenig Abnehmerinnen und Abnehmer», weiss Daniel Gaberell. Darum seien die Chroniken von Langenthal seit einiger Zeit «nur» noch online einsehbar und könnten bei Bedarf als PDF-Dateien heruntergeladen werden.

 

Frischer und attraktiver

 

Im Gegensatz zu früheren Chroniken der Stadt Langenthal kommt die aktuelle Version frischer und attraktiver daher. Zu jedem aufgeführten Ereignis gibt es einen kurzen, gut lesbaren Text. Ausserdem wird jeder Eintrag – und zwar wirklich ausnahmslos jeder – von einem Bild begleitet. Diese Gestaltung macht die Chronik übersichtlicher und besser verdaubar. Wer nicht alles aufs Mal konsumieren will, gönnt sich ein paar Happen – und nimmt den Lesefluss zu gegebener Zeit, bei Lust und Laune, einfach wieder auf. Grosszügige Leerräume sorgen zusätzlich für Ruhe und Übersichtlichkeit innerhalb der Publikation.

 

Im Vergleich zu Vorgängerversionen geht die aktuelle Stadtchronik insgesamt auf weniger Ereignisse ein (266 Einträge für die Jahre 2023 und 2024). Das sei nicht nur einer besseren Übersicht und Lesbarkeit geschuldet, sondern unter anderem auch der darbenden Medienlandschaft, gibt Daniel Gaberell unmissverständlich zu verstehen. «Guter Regionaljournalismus ist rar geworden. Die klassische Medienlandschaft bricht im Vergleich zu den sozialen Medien zunehmend zusammen. Wöchentliche Meldungen über Langenthal sind in den beiden verbleibenden Zeitungen, dem BZ Langenthaler Tagblatt und dem Unter-Emmentaler, kaum noch zu finden», so der amtierende Stadtchronist.

 

«Weniger zufällig und subjektiv»

 

Eine missliche Situation für jemanden, der eine Stadtchronik verfassen muss, die hauptsächlich auf den Meldungen regionaler Medienerzeugnisse basiert. «Für den Stadtchronisten stellt sich daher unweigerlich die Frage: Woher erhält er die notwendigen Informationen für die jährliche Chronik? Aus den geposteten Meldungen auf seinem Smartphone? Heikel», führt Daniel Gaberell in seinem Vorwort aus. In Anbetracht der aktuellen Situation sei die Auswahl der in der Chronik aufgeführten Stadt-Ereignisse weniger zufällig und subjektiv als in den Jahren zuvor, da man froh sein müsse, überhaupt Meldungen zu finden.

 

Trotz herausfordernder Ausgangslage ist er der Meinung: «Eine Stadtchronik ist eine wertvolle Dienstleistung für die Bevölkerung. Sie sammelt und bewahrt Wissen, das es im Falle von Langenthal ermöglicht, über Jahrzehnte hinweg sehr detailliert in die Vergangenheit zurückzublicken.»

 

Oft in den Archiven anzutreffen

 

Als Stadtchronist ist Daniel Gaberell vor allem Hüter und Vermittler der Stadtgeschichte – so steht es auch in seinem Pflichtenheft. In seiner Rolle als Hüter ist der 55-Jährige oft in den verschiedenen Archiven der Stadt tätig. Das Hauptarchiv, das unter der Kaffee-Fabrik im «Telekom-Gebäude» an der Bahnhofstrasse 16 untergebracht ist, wurde vor einiger Zeit von der Firma Aredis professionell aufgearbeitet. Dort wurden ein Katalog sowie entsprechende Findemittel erstellt, sodass die Bestände schnell und effizient zugänglich sind.

 

Neben dem Hauptarchiv gibt es die Studienbibliothek, die von der Bibliothek gemeinsam mit dem Stadtchronisten verwaltet wird. Sie sammelt und verwahrt alle Publikationen, die über die Stadt Langenthal erscheinen.

 

Ein weiteres Archiv – liebevoll «Wühlarchiv» genannt – befindet sich im Keller des Zwinglihauses. Es ist etwas weniger strukturiert organisiert und enthält Materialien wie Bestände der Leichtathletikvereinigung Langenthal, der SAC Sektion Oberaargau und des Frauenchors (um nur einige Institutionen zu nennen). Zudem gibt es dort ein Bildarchiv des ehemaligen «Tägu» (Langenthaler Tagblatt), das vor allem Fotografien von Margrit Kohler sowie ein umfangreiches Zeitungsarchiv umfasst.

 

Helfer bei Recherchearbeiten

 

Ein weiteres bedeutendes Archiv ist das Burgergemeindearchiv, das ebenfalls von der Firma Aredis professionell bearbeitet wurde und, wie die anderen Archive auch, von Daniel Gaberell betreut wird.

 

Pro Woche erhalte er etwa eine externe Anfrage, häufig in Zusammenhang mit genealogischen Recherchen. «Dabei arbeite ich gelegentlich mit dem Einwohnerdienst zusammen, insbesondere wenn es um Anfragen zur Familienforschung geht», erzählt der Stadtchronist. In der Regel unentgeltlich erhält von ihm Auskunft, wer Daten und Fakten zur Stadt und Gemeinde Langenthal wünscht und diese beim Stadtchronisten anfragt.

 

Geschichte fördert Heimatgefühl

 

In seiner Rolle als Vermittler bringt Daniel Gaberell die Geschichte der Stadt auf vielfältige Weise den Menschen näher. «Am besten an meinem Stadtchronisten-Job gefällt mir tatsächlich der Transfer von historischem Wissen», ordnet der gebürtige Aarwanger seine beiden Hauptfunktionen nach Beliebtheit ein. «Wenn man den Zugang zur Geschichte hat, gibt das ein warmes Gefühl. Man fühlt sich aufgehoben, mehr daheim und verbunden, wenn man die Geschichte seines Heimat- oder Wohnortes kennt.»

 

Zu seiner Vermittlerrolle gehört es, Vorträge zu halten und an Veranstaltungen mitzuwirken. Ob beim Neuzuzügerapéro der Stadt Langenthal, Führungen im Choufhüsi oder der Kulturnacht – Gaberell sorgt dafür, dass die Geschichte lebendig bleibt. Ein Beispiel dafür ist die kommende Kulturnacht am 9. Mai 2025, bei der er als Gast im Kunsthaus den Film über den Tell-Abbruch zeigt, neu vertont mit Kommentaren von Werner Ingold (Urheber des Films).

 

Auch die sozialen Medien spielen in seiner Vermittlertätigkeit eine zentrale Rolle. «Weil ich kein Historiker bin und anfangs etwas Respekt vor meinem fehlenden wissenschaftlichen Hintergrund hatte, fragte ich mich: Was kann ich tun, um die Geschichte von Langenthal im Detail kennenzulernen?» Seine Antwort darauf war Instagram. «Damit kann ich mir dank vertiefter vorausgehender Recherchen Episoden aneignen und sie nachhaltig im Gedächtnis verankern. Zwei Fliegen mit einer Klappe: Ich lerne etwas dazu und kann gleichzeitig etwas vermitteln.» Auf Instagram (@stadtchronist; inzwischen über 2000 Follower), einer eigenen Website sowie auch auf Facebook unter dem Namen «Stadtchronist Langenthal» teilt er Geschichten, Bilder und Einblicke in die Vergangenheit der Stadt. Ein LinkedIn-Auftritt kommt möglicherweise auch bald hinzu.

 

«Verstaubte Nummer zieht nicht»

 

Ein weiteres wichtiges Element seiner Arbeit sind die Langenthaler Heimatblätter. Alle zwei bis drei Jahre erscheint eine neue Publikation, die sich seit einigen Jahren auf Langenthaler Biografien konzentriert. Diese Bücher bieten eine Gelegenheit, die Geschichte der Stadt über die Lebensgeschichten ihrer Menschen greifbar zu machen. «Das ist nah an meiner ursprünglichen Tätigkeit als Herausgeber, der unter anderem Bücher über Langenthal und den Oberaargau veröffentlicht», erklärt Gaberell.

 

Für ihn ist klar, dass es in der heutigen Zeit neue Wege braucht, um Geschichte greifbar zu machen. «Die verstaubte Nummer zieht nicht mehr», betont er. «So wie ich es probiere, scheint es zu funktionieren. Ich finde es wichtig, dass die Geschichte weiterhin vermittelt wird.»

 

Verschiedene Ämter und Funktionen

 

Daniel Gaberell ist zu 25 Prozent bei der Forschungsstiftung angestellt, die ihn als Stadtchronisten beschäftigt. «Ein Tag pro Woche plus Anlässe», beschreibt er seine Arbeit, die auch die Leitung der Geschäftsstelle umfasst. Die Forschungsstiftung wird zu etwa zwei Dritteln von der Stadt Langenthal und einem Drittel von der Burgergemeinde finanziert.

 

Zudem gehört Gaberell von Amts wegen der Redaktion des Jahrbuchs Oberaargau an, wodurch er einen weiteren Beitrag zur Dokumentation und Vermittlung der regionalen Geschichte leistet. Seine Vorgängerin war Martina Moser (zwei Jahre), von 1996 bis 2021 war Lokalhistoriker und Ex-Pfarrer Simon Kuert als Stadtchronist tätig, davor Max Jufer.


Gut zu wissen:

Soeben neu erschienen: Chronik über die Stadt Langenthal – 2023 und 2024. Jetzt attraktiver gestaltet. Nur ganz kurze Infos, dafür pro Ereignis ein Bild. Die Chronik erscheint alle zwei Jahre. Verfügbar als Onlineansicht und zum Herunterladen (PDF) auf www.stadtchronist.ch sowie auf www.langenthal.ch/geschichte.


In den sozialen Medien teilt der Stadtchronist immer freitags eine Episode zur Langenthaler Geschichte, so vertieft Daniel Gaberell Stück für Stück seine lokalhistorischen Kenntnisse. Hier ein Beispiel zum obigen Bild: «Wer war Wilhelm Felber? Der Langenthaler Fotograf wurde 1918 geboren und wuchs an der Farbgasse 89 auf. Er betonte öfters, dass seine Fotografie keine Kunst sei. Und doch widmete ihm das Kunsthaus Langenthal 1993 eine Ausstellung – seine erste überhaupt, damals war er bereits 75 Jahre alt. Er sei kein einfacher Mensch, dieser Fotograf Felber, der oft mit Schemel und Leiter unterwegs war – eigenwillig, direkt und ehrlich sei er gewesen. Aber auch einer, der sich in allen gesellschaftlichen Schichten zu Hause fühlte, er verstand es, auf Leute einzugehen. Leider sind nur noch einzelne Bilder von ihm erhalten, denn 1993 zerstörte er sein gesamtes Archiv mit mehreren hunderttausend Negativen.»


In den Archiven stösst der Stadtchronist oft auf Bildschätze. Hier ein Foto von Bäckermeister Bigler vor seinem Haus. In Zusammenhang mit der Errichtung der Löwenpostfiliale wich die schmucke Liegenschaft einem Parkplatz, der heute nach wie vor als solcher genutzt wird. Rechts ist die Häuserzeile in Richtung des heutigen Kinos Scala sichtbar.

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