Am 9. Februar 2025 stimmen Langenthals Stimmbürgerinnen und Stimmbürger – nebst einer kantonalen und einer eidgenössischen Vorlage – über eine Angelegenheit auf Gemeindeebene ab. Konkret geht es um eine Teilrevision der Stadtverfassung – was auf den ersten Blick recht spröde wirkt. Bei eingehender Betrachtung stellt man jedoch fest: Es geht um ein Geschäft, das nichts weniger als die Mitwirkungsrechte der stimmberechtigten Langenthalerinnen und Langenthaler stärken und die Lokalpolitik in diesem Sinne zugänglicher machen will.
Dieser Artikel ist am 21. Januar 2025 im Unter-Emmentaler erschienen.
Das Ziel der Vorlage ist es, die Hürden für das Zustandekommen von Initiativen, fakultativen Referenden und Volksvorschlägen zu senken. Konkret heisst das: Für eine Initiative sollen neu 500 Unterschriften von stimmberechtigen Personen ausreichen – bislang musste nach geltender Stadtverfassung eine kommunale Initiative von mindestens 900 Stimmberechtigten unterschrieben werden.
Für ein fakultatives Referendum und einen Volksvorschlag reichen neu 250 Unterschriften aus – bis anhin waren für das Zustandekommen dieser beiden Mitbestimmungsinstrumente 400 Unterschriften nötig, und zwar solche, die innert 30 Tagen seit der Veröffentlichung des Stadtratsbeschlusses eingereicht werden mussten. Neu soll die Frist zur Unterschriftensammlung beim fakultativen Referendum sowie beim Volksvorschlag auf 40 Tage verlängert werden. Im Infoabschnitt ganz unten werden die Funktionsweisen der erwähnten Mitbestimmungsinstrumente kurz erläutert.
«Volksrechte werden attraktiver»
In den letzten fünf Jahren fanden in Langenthal zwar keine Abstimmungen über Initiativen statt. Auch in den Jahren zuvor kamen nur vereinzelt Initiativen zur Abstimmung. Und die letzte Referendumsabstimmung fand auch schon im Jahr 2020 statt (Erhöhung des jährlichen Unterstützungsbeitrags an die Kosten der Eismiete der SC Langenthal Nachwuchs AG).
«Dennoch soll in der Stadtverfassung im Interesse einer partizipationsfreundlichen Politik, welche die direkte Demokratie effektiv ermöglicht, eine Verstärkung der Mitwirkungsrechte der Stimmberechtigten verankert werden», wird in der Botschaft zur Gemeindeabstimmung vom 9. Februar 2025 (zweiter Sonntag im Februar) ausgeführt. Die Volksrechte würden so noch attraktiver, und die Gemeindepolitik werde noch zugänglicher, heisst es.
Überparteiliches Anliegen
Anstoss zu dieser Volksabstimmung gab eine überparteiliche Motion im Stadtrat, mit der eine Senkung der Unterschriftenzahl für Initiativen und Referenden sowie eine Verlängerung der Frist zur Sammlung von Unterschriften bei Referenden gefordert wurde. Diese Motion wurde vom Stadtrat überwiesen und an der Sitzung vom 3. April 2023 einstimmig erheblich erklärt. Der Stadtrat beauftragte damit den Gemeinderat, Anpassungsvorschläge gemäss der Motion in der Stadtverfassung vorzubereiten. Diese Vorschläge liegen nun vor.
Sagen Langenthals Stimmberechtigte Anfang Februar Ja zur Abstimmungsvorlage, nehmen sie damit auch eine Angleichung an andere, vergleichbare Gemeinden im Kanton Bern vor. Denn Fakt ist: Die Anforderungen an die Anzahl Unterschriften sind in Langenthal heute an der oberen Grenze. Die erforderliche Anzahl Unterschriften für eine Gemeindeinitiative darf gemäss dem übergeordneten kantonalen Recht bei maximal zehn Prozent der Stimmberechtigten liegen. Beim fakultativen Referendum wird kantonalrechtlich eine maximale Obergrenze von fünf Prozent der Stimmberechtigten festgelegt. In beiden Fällen steht es den Gemeinden frei, tiefere Grenzen vorzusehen.
In Langenthal gibt es aktuell (Stand 12. September 2024) 9895 stimmberechtigte Personen. In Prozentzahlen umgerechnet ergibt dies eine notwendige Unterschriftenzahl von neun Prozent bei einer Initiative (900 Unterschriften) und vier Prozent beim fakultativen Referendum und beim Volksvorschlag (400 Unterschriften). Zum Vergleich: In der Stadt Bern sind bei 84'881 Stimmberechtigten «nur» 5000 Unterschriften innert einer Frist von sechs Monaten für eine Initiative (rund 5,9 Prozent) sowie 1500 Unterschriften innert einer Frist von 60 Tagen für ein Referendum / einen Volksvorschlag nötig (rund 1,8 Prozent). Und in der Stadt Thun liegt die Hürde bei rund 5,1 Prozent für eine Initiative respektive bei rund 2,6 Prozent für ein Referendum / einen Volksvorschlag (dies bei 31'025 stimmberechtigten Thunerinnen und Thunern).
Sechsmonatige Frist bleibt
Übrigens: Die sechsmonatige Sammelfrist für Initiativen soll beibehalten werden, wie aus der Abstimmungsbotschaft hervorgeht. «Diese Frist wird als angemessen erachtet, und die erwähnte überparteiliche Motion wollte diese Frist auch nicht antasten», wird ausgeführt.
Nach einer allfälligen Annahme der Vorlage durch die Stimmberechtigten und der anschliessenden obligatorischen Genehmigung durch das kantonale Amt für Gemeinden und Raumordnung werde Langenthals Gemeinderat den Zeitpunkt des Inkrafttretens «so rasch als möglich» festlegen, heisst es weiter.
Finanzielle Auswirkungen habe die aktuelle Vorlage keine, wird argumentiert. In den vergangenen Jahren seien – wie erwähnt – nur vereinzelt Initiativen eingereicht und Referenden ergriffen worden. «Deshalb – sowie angesichts der Erfahrungen in anderen Gemeinden – ist nicht mit einer starken Zunahme von Initiativen und Referenden sowie einem damit verbundenen massgeblichen Mehraufwand der Stadtverwaltung oder der politischen Behörden zu rechnen», so der Wortlaut von offizieller Seite.
Stimmvolk entscheidet abschliessend
Im Stadtrat war das Geschäft unumstritten: Dieser befasste sich in der November-Sitzung letzten Jahres mit der Vorlage – 36 Ja-Stimmen bei einer Nein-Stimme und null Enthaltungen zeugen davon, dass Langenthals Volksvertreterinnen und Volksvertreter gewillt sind, die politischen Mitwirkungswerkzeuge der Bürgerinnen und Bürger zu stärken und etwaige Hürden, die in diesem Zusammenhang bestehen, zu senken.
Das Stimmvolk entscheidet am 9. Februar jedoch selbst, ob es diesen vereinfachten Zugang zur Lokalpolitik möchte oder nicht. So oder so: Eine vergleichsweise hohe Stimmbeteiligung wäre ein Zeichen dafür, dass sich die hiesigen Bürgerinnen und Bürger für ihre politischen Mitbestimmungsmöglichkeiten interessieren und diesen Strauss an grunddemokratischen Werkzeugen zu schätzen wissen.
Politische Mitbestimmung: Was können Initiativen & Co.?
Die Stimmberechtigten können gemäss der geltenden Stadtverfassung der Stadt Langenthal mit einer Initiative den Erlass, die Änderung oder die Aufhebung von Reglementen oder Beschlüssen verlangen, für welche die Stimmberechtigten oder der Stadtrat zuständig sind. Ein Initiativbegehren muss aktuell von mindestens 900 Personen unterzeichnet werden. Die Sammelfrist für die Unterschriften einer Initiative beträgt sechs Monate (keine Änderung der Frist vorgesehen).
Mit einem fakultativen Referendum kann gemäss der geltenden Stadtverfassung verlangt werden, dass Beschlüsse des Stadtrates, die gemäss den Bestimmungen der Stadtverfassung dem fakultativen Referendum unterliegen, der Gemeindeabstimmung unterbreitet werden. Beim Volksvorschlag handelt es sich um einen Gegenvorschlag der Stimmberechtigten zu Beschlüssen des Stadtrates über Erlasse (auch konstruktives Referendum genannt). Beim fakultativen Referendum und Volksvorschlag sind derzeit 400 Unterschriften notwendig, die innert 30 Tagen seit der Veröffentlichung des Beschlusses des Stadtrates eingereicht werden müssen.
Initiative, fakultatives Referendum und Volksvorschlag sind in der Stadtverfassung geregelt.
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