An der November-Sitzung des Stadtrats wird über die sogenannte Ferieninsel debattiert – Langenthals städtisches Betreuungsangebot zur Entlastung berufstätiger Eltern während der Schulferien. Dieses im Sommer 2021 eingeführte Angebot will aus verschiedenen Gründen nicht so recht in die Gänge kommen. Mit dem Verein Kita Tagi Windrose steht eine Partnerin bereit, die das städtische Angebot ab Frühling 2025 in ihre bestehende Ferieninsel integrieren würde. Höhere Kosten für die Stadt, aber auch ein deutlich verbessertes und nutzerfreundlicheres Angebot wären die Folgen. Das letzte Wort hat am 25. November der Stadtrat.
Dieser Artikel ist am 12. November 2024 in der Lokalzeitung Unter-Emmentaler erschienen.
Folgendes Szenario: Ein berufstätiges Elternpaar hat seine achtjährige Tochter für das städtische Betreuungsangebot während der Frühlingsferien angemeldet. Einen Monat vorher – also sehr kurzfristig – erhalten die Eltern die Meldung: Ferieninsel abgesagt – zu wenig Anmeldungen! Die Eltern stehen vor dem Nichts. Wer übernimmt nun in knapp vier Wochen die Betreuung der achtjährigen Tochter? Der Ausblick auf die herannahenden Frühlingsferien wird zum Graus – eine Lösung muss her, schliesslich können die Eltern während dieser Zeit nicht einfach von ihren Arbeitsplätzen fernbleiben ...
Das Szenario ist nicht einfach aus der Luft gegriffen. In der Tat konnten sich berufstätige Eltern in den letzten paar Jahren seit der Einführung des städtischen Ferienbetreuungsangebots nicht immer auf die sogenannte Ferieninsel verlassen. Kurzfristige Absagen waren nötig, weil die erforderliche Anzahl von mindestens zehn Kindern teilweise nicht erreicht werden konnte. Die Gründe dafür, weshalb das Angebot – die städtische Ferieninsel konnte erstmals im Sommer 2021 durchgeführt werden – bis heute nicht so richtig in die Gänge kommen will, sind divers. Einerseits stellen die Kosten eine grosse Hürde dar, andererseits scheint die Betriebszeit von «nur» sieben Wochen pro Jahr nicht optimal zu sein.
Zur städtischen Aufgabe wurde das Ferienbetreuungsangebot übrigens im August 2020, mit der Zustimmung des Stadtrats zur Teilrevision des Reglements über das Schulwesen, zur Erhöhung des Bestands an Stellen in der Stadtverwaltung sowie zu jährlich wiederkehrenden Aufwänden.
Windrose mit bewährtem Angebot
Neben der städtischen Ferieninsel gibt es in Langenthal allerdings auch noch das Ferienbetreuungsangebot des Vereins Kita Tagi Windrose. Die Ferieninsel der Windrose gilt als bewährt und steht sowohl Kindern aus der Kita, Kindern mit Betreuungsgutscheinen sowie Kindergartenkindern offen. Darüber hinaus werden während der Schulferien auch sogenannte SPT-Plätze angeboten (Begleitung von Kindern in sozialpädagogischen Tagesstrukturen).
Ohnehin hat die Stadt mit der Windrose im Tagesschulbereich bereits eine Zusammenarbeit, und zwar seit dem Schuljahr 2022/23. Der Verein betreibt im Auftrag der Stadt einen Tagesschulstandort für die städtische Tagesschule auf dem Areal des Schulzentrums Kreuzfeld.
Im März 2023 hat der Gemeinderat das Amt für Bildung, Kultur und Sport (ABiKuS) mit der Erarbeitung der Weiterentwicklung des Ferienbetreuungsangebots in Zusammenarbeit mit einer lokalen Institution beauftragt. Infolgedessen wurden etliche Gespräche mit dem Langenthaler Verein Kita Tagi Windrose geführt. Der Verein hat ein grosses Interesse an einer Übernahme der Ferienbetreuung gezeigt.
«Durch die Aufstockung der Anzahl Kinder in der Ferienbetreuung durch Langenthaler Schulkinder könnten in den Bereichen Personal, Verpflegung, Betreuung, Inklusion und Auslastung Synergien genutzt werden. Anstelle von zwei Ferienbetreuungsangeboten in Langenthal, wovon das stadteigene bei weitem nicht ausgelastet ist, könnte in Zukunft ein gemeinsames (bereits gut funktionierendes) Angebot durch die Windrose durchgeführt werden», heisst es im Bericht und Antrag zuhanden der Stadtratssitzung vom 25. November 2024.
Vielversprechende Eckwerte
Langenthals Stadträtinnen und Stadträte können also demnächst entscheiden: Wollen sie die städtische Ferieninsel, die erwiesenermassen harzig angelaufen ist, an eine private, lokale Institution übertragen?
Die neuen Eckwerte der Windrose sehen jedenfalls vielversprechend aus. Diese basieren auf einem Angebot des Vereins, das der Stadt Langenthal anfangs Mai 2024 eingereicht worden ist. Der Stadtrat kann von den folgenden Details Kenntnis nehmen, die auf Verhandlungen zwischen dem ABiKuS und dem Verein beruhen:
- Die Betriebszeiten der Ferieninsel werden ausgeweitet – mit der Windrose kann das Ferienbetreuungsangebot künftig während zehn Schulferienwochen garantiert werden (bislang sieben Wochen).
- Das Ferienbetreuungsangebot sieht Öffnungszeiten von Montag bis Freitag von 7.00 bis 18.30 Uhr vor, damit werden die Öffnungszeiten pro Tag um eine Stunde verlängert.
- Das Ferienbetreuungsangebot bietet fix 30 Betreuungsplätze pro Tag für die Stadt.
- Die Mahlzeitengebühren sind kostendeckend und in den Elterngebühren enthalten.
- Die Mahlzeiten umfassen das Mittagessen sowie ein «Znüni» und «Zvieri».
- Es werden ausschliesslich Schulkinder mit Wohnsitz Langenthal betreut.
Zu den Kosten: Die Verteilung der Gebühren setzt sich gemäss einem Verteilschlüssel pro Kind zusammen; der Kanton übernimmt fix 30 Franken pro Tag, ebenso die die Stadt Langenthal. Bei den Eltern kommt ein einkommensabhängiger Tarif mit einer Kostenbeteiligungs-Untergrenze von 15 Franken pro Tag (inklusive Mahlzeiten) zur Anwendung. In den Verhandlungen mit der Windrose wurde die Höhe der Elternbeiträge besprochen. Ziel sei es, das Ferienbetreuungsangebot für alle Eltern günstiger anzubieten als die bisherige Ferienbetreuung der Stadt, heisst es in den Unterlagen.
Beim Personal gelten kantonale Vorgaben: Die Leitung der Betreuung hat eine Person mit abgeschlossener pädagogischer oder sozialpädagogischer Ausbildung inne. Weiter besteht die Zusammensetzung des Betreuungsteams mindestens zu 40 Prozent aus pädagogisch ausgebildetem Personal und höchstens zu 60 Prozent aus zur Betreuung von Kindern geeigneten Mitarbeitenden ohne pädagogische Ausbildung.
Alternativen sind rar bis inexistent
Nebst der Variante mit dem Verein Kita Tagi Windrose wurden noch andere Möglichkeiten geprüft. Um es kurz zu machen: Eine Weiterführung des bestehenden städtischen Angebots kommt vor diesem Hintergrund ebenso wenig infrage wie eine Fortführung des städtischen Angebots mit angepassten Rahmenbedingungen. Und auch eine Durchführung des Angebots mit einer anderen lokalen Institution scheint nicht opportun zu sein. Dazu die Ausführungen in den Stadtratsakten: «Die Prüfung hat ergeben, dass neben dem Verein Kita Tagi Windrose keine vergleichbare Langenthaler Institution über dieselbe ausgewiesene Erfahrung in der umfangreichen Betreuung von Kindern ab dem Kindergartenalter bis zum Ende der Volksschule verfügt. Zudem hat sich die bisherige Zusammenarbeit zwischen der Stadt und dem Verein Kita Tagi Windrose bestens bewährt.»
Festgehalten wird in den Akten auch, was passieren würde, wenn die Stadt das Ferienbetreuungsangebot einfach ersatzlos streichen würde. Ins Feld geführt wird in diesem Zusammenhang etwa ein Attraktivitätsverlust Langenthals als Wohn- und Arbeitsort, weil die Stadt in einem gewissen Bereich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht weiter unterstützen würde.
Gelder werden effizienter eingesetzt
Kommt es zur Überführung des Ferienbetreuungsangebots an die Windrose, wird dies bei der Stadt voraussichtlich zu höheren Kosten führen – was jedoch logisch ist, da bei einem verlässlicheren Ferieninsel-Angebot in Zukunft wohl auch die Anzahl der betreuten Kinder steigen wird. Mit dem künftigen Angebot sei klar, dass die Stadt 30 Franken pro Kind und Betreuungstag aufwenden müsse, hält das Finanzamt in einer Stellungnahme fest. Bei einer maximalen Auslastung des Angebots (zehn Wochen Ferienbetreuung à fünf Tage mit 30 Betreuungsplätzen = 1500 Betreuungstage) trage die Stadt somit Kosten in der Höhe von 45'000 Franken. «Dieser Betrag ist zwar höher als die in den vergangenen Jahren entstandenen Nettokosten. Allerdings bietet das neue Modell ein klar verbessertes Angebot (zehn statt sieben Wochen Betriebszeiten, eine Stunde längere Öffnungszeiten pro Tag, tiefere Gebühren für die Eltern)», schreibt das Finanzamt weiter. Es könne davon ausgegangen werden, dass die aufgewendeten Gelder mit dem neuen Modell effektiver und effizienter eingesetzt würden. Dies sei aus volkswirtschaftlicher Sicht zu begrüssen. Trotzdem sei anzunehmen, dass die Stadt Langenthal in Zukunft finanziell stärker belastet werde.
Leistungsvereinbarung für drei Jahre
Der Stadtrat wird am 25. November also einmal mehr – wie in vielen anderen Geschäften auch – Kosten gegen Nutzen abwägen müssen. Rein formal geht es an der bevorstehenden Parlamentssitzung vor allem um die Teilrevision des Reglements über das Schulwesen, um die Genehmigung einer Leistungsvereinbarung mit dem Verein Kita Tagi Windrose sowie um den Beschluss eines Verpflichtungskredits von insgesamt 261‘000 Franken. Dieser Betrag setzt sich aus den städtischen und den kantonalen Beiträgen für die nächsten drei Jahre zusammen, wobei die Kantonsbeiträge letztlich wieder der Erfolgsrechnung der Stadt gutgeschrieben werden. Der Punkt ist, dass die Windrose nicht direkt mit dem Kanton abrechnen kann.
Für ihre Leistungen erhält die Windrose sowohl die Beiträge der Stadt als auch des Kantons von jährlich je 45'000 Franken (bei Vollauslastung der Ferieninsel). Im ersten Jahr sind es lediglich je 40'500 Franken von Kanton und Stadt, weil die Windrose das Ferienbetreuungsangebot vom zeitlichen Ablauf her und aufgrund der Rechtskraft des Geschäfts erst per 31. März 2025, in der ersten Frühlingsferienwoche also, übernehmen kann (die Sportferien 2025 sind somit noch nicht abgedeckt).
Bei positiver Beurteilung durch den Stadtrat ist das städtische Angebot einzustellen. Der Bestand an Stellen in der Stadtverwaltung wird per 1. Januar 2025 um 110 Stellenprozente reduziert. Die Stadt will die Öffentlichkeit und die Eltern über die Änderungen und Erweiterungen des Angebots informieren, sobald die Rechtskraft des Geschäfts eingetreten ist. Mit anderen Worten: Voraussichtlich Anfang 2025 ist mit einem offiziellen Infoschreiben der Stadt zu rechnen.
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