Was sind die Vor- und Nachteile des Wirtschaftsstandortes Oberaargau? Wie kann die Standortattraktivität in der Region gefördert werden? Und welche Anliegen und Erwartungen hat man an den Kanton und an die Politik? Diesen Fragen gingen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Wirtschaftslandsgemeinde 2024 nach. Die zusammengetragenen Antworten und Vorschläge will die Geschäftsstelle der Region Oberaargau nun weiterbearbeiten und an den richtigen Orten einspeisen.
Dieser Artikel erschien am 24. September 2024 in der Lokalzeitung Unter-Emmentaler.
Das Setting der Wirtschaftslandsgemeinde Oberaargau ist interessant, aber auch herausfordernd. Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft kommen an einem Mittwoch kurz nach Feierabend in einer grossen Vortragslokalität zusammen – letzte Woche in der Aula der Berufsfachschule Langenthal –, um sich zuerst drei Impulsreferate anzuhören, bevor sie in Gruppendiskussionen starten und sich in kleineren Runden zu Leitfragen austauschen. An der Wirtschaftslandsgemeinde kann man sich also nicht einfach nur mit Infos und Aussagen berieseln lassen. Im Gegenteil: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer müssen aktiv werden und selbst etwas zum Gelingen des Anlasses beitragen.
Diese Herausforderung meisterten die Gäste nach ein paar Anlaufschwierigkeiten gut bis sogar sehr gut. Verständlich, dass wohl die meisten nach einem anstrengenden Arbeitstag (und auch noch ohne Abendessen im Magen) zuerst ein wenig warmlaufen mussten, um sich aktiv in die Diskussionen einbringen zu können.
Mehr als bloss heisse Luft
Am Schluss des Anlasses, bei der Präsentation der Ergebnisse aus den Gruppen, kamen jedenfalls ein paar interessante und teils inspirierende Vorschläge und Lösungsansätze zum Vorschein. Diese will die Geschäftsstelle der Region Oberaargau, die den Anlass organisiert und einberufen hatte, nun aufnehmen, evaluieren und weiterziehen. «Uns ist es ein grosses Anliegen, dass die hier diskutierten Themen und angeregten Lösungsansätze nicht einfach nur heisse Luft sind, sondern dass daraus auch wirklich etwas entstehen kann», sagte Silvia Jäger, Geschäftsführerin der Region Oberaargau, in ihrem Schlusswort.
Die Wirtschaftslandsgemeinde soll im Endeffekt also dafür sorgen, dass – grob gesagt – in den drei übergeordneten Bereichen Wohnen, Arbeiten und Freizeit konkrete Veränderungen angestossen werden können. Die Aufgabe der Geschäftsstelle ist es nun also, zu überlegen, welche Themen und Lösungsansätze wo eingespeist werden können. Als Beispiel hierfür nannte Silvia Jäger das Politik-zMorge, in dessen Rahmen man den Politikerinnen und Politikern die Inputs weiterleiten und schmackhaft machen könne.
Wirtschaftszonen schaffen?
Solche Inputs aus den Gruppendiskussionen der diesjährigen Wirtschaftslandsgemeinde waren teils ziemlich konkret, teils aber auch vage und eher oberflächlich. Zu den handfesteren Vorschlägen des Abends zählte die Idee bezüglich der Schaffung von Wirtschaftszonen im Oberaargau. Gemeint ist damit, dass an geeigneten Standorten in der Region Gebiete geschaffen und gefördert werden könnten, innerhalb derer sich «Unternehmen gleicher Art» ansiedeln und so Synergien besser nutzen könnten. Die Präsentierenden sprachen in diesem Zusammenhang von einer «Campus-artigen Zone», die in unmittelbarer Nachbarschaft zu den gemeinsam angesiedelten Betrieben vielleicht sogar eine zentrale Ausbildungsstätte enthalten könnte.
Ein weiterer spannender Ansatz war die Idee von der Schaffung einer Informationsplattform, auf der ersichtlich ist, welche Start-ups es in der Region gibt und was deren Angebote sind – eine Plattform, die möglicherweise der Geschäftsstelle der Region angegliedert werden könne, so die präsentierende Person der Jungen Wirtschaftskammer Oberaargau (JCI).
Mehr Risikobereitschaft in der Politik
Von solchen einzelnen, recht konkreten Ideen abgesehen waren die vorgebrachten Vorschläge und Inputs zum Teil doch eher oberflächlicher Natur beziehungsweise auf einer thematisch übergeordneten Ebene anzusiedeln. Wenig überraschende Forderungen, die in diesem Zusammenhang genannt wurden: Die Politik müsse weniger verhindern und mehr ermöglichen, es brauche weniger Gesetze und Regulierungen, und die Persönlichkeiten aus Politik und Verwaltung müssten wieder risikobereiter und entscheidungsfreudiger werden. Man müsse auch behördenseitig wieder mehr Verantwortung übernehmen, nur so komme man gemeinsam mit den Vertretern aus Wirtschaft und Gesellschaft einen Schritt weiter.
Alles in allem konnten an diesem Abend die drei Leitfragen der Gruppendiskussionen sicherlich nicht erschöpfend diskutiert werden. Man war aber durchaus in der Lage, zahlreiche Vor- und Nachteile des Wirtschaftsstandortes Oberaargau aufzulisten, die Förderung der Standortattraktivität des Oberaargaus zu erörtern und einige wichtige Anliegen und Erwartungen zu formulieren, die man nun dem Kanton und der Politik weiterreichen kann.
Erfreuliches aus Oberbipp
Auch das übergeordnete Leitthema des Anlasses konnte beleuchtet werden. Über allem stand nämlich die Frage: «Wirtschaftsstandort Oberaargau – attraktiv und entwicklungsfähig?».
Zu diesem Thema referierten gleich zu Beginn der Wirtschaftslandsgemeinde drei Persönlichkeiten aus der hiesigen Wirtschaft. Den Start machte Stefan Näf, der aus Führungsoptik (Geschäftsleitung Logistik/Dienste Volg Konsumwaren AG) berichten konnte, wie das Zusammenspiel zwischen Wirtschaft und Behörden/Politik gut funktionieren kann. Man erfuhr, dass die Gemeinde Oberbipp offenbar sehr entgegenkommend und hilfsbereit ist, was die Erweiterung der Volg-Verteilzentrale am dortigen Standort angeht. Ein Beispiel, das Behörden und Politikern auf kommunaler wie kantonaler Stufe durchaus als Inspiration und Handlungsempfehlung dienen kann.
Jungunternehmerin Léa Miggiano, Co-Gründerin/CMO bei Carvolution, berichtete in ihrem Kurzreferat von der eher unkonventionellen Standortwahl und Ansiedlung ihres Unternehmens in Bannwil. Ihr Aufruf anlässlich der Wirtschaftslandsgemeinde: «Tragt zu einer Kultur bei, die offen ist und die Innovation fördert!»
In der Region findet man noch «Chrampfer»
Den Abschluss der kurzen Referat-Reihe machte Lukas Meister, Geschäftsleiter bei Clevergie. Erfrischend zu hören waren seine Aussagen punkto Fachkräftemangel, der aus seiner Sicht in gewissen Branchen in der Region eigentlich gar nicht existent ist. Sein Unternehmen findet nämlich nach wie vor genügend qualifizierte Arbeitskräfte, sogenannte «Chrampfer». Dies nicht zuletzt deshalb, weil der Firmensitz von Clevergie Emmental-Oberaargau in Wyssachen liegt und dort jedes Jahr (laut Lukas Meister) mindestens drei arbeitstätige Personen vom primären in den sekundären Wirtschaftssektor wechseln (müssen), also vom Landwirtschafts- in den Industrie- und Gewerbesektor. Dies aufgrund nach wie vor rückläufiger Zahlen bei den Landwirtschaftsbetrieben. «Diese Personen aus dem primären Sektor bewerben sich schliesslich bei uns, weil wir ein Unternehmen sind, das auf hart arbeitende und loyale Mitarbeitende angewiesen ist», so der Clevergie-Geschäftsleiter. Dass er vom Pendeln nichts hält, machte Lukas Meister in seinem Kurzreferat mehr als deutlich: «Firmenstandorte müssen dezentral sein – sie müssen dort angesiedelt sein, wo die Arbeitskräfte leben und das Pendeln nicht notwendig ist.»
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