Steigende Gesundheitskosten und der Hausärztemangel sind in aller Munde. Gerade Letzteres ist in der Stadt nach wie vor ein akutes Problem, kommen doch zahlreiche Neuzuzügerinnen und Neuzuzüger schlichtweg bei keinem bestehenden Langenthaler Hausarzt unter. Neue Hausarztpraxen sind kurzfristig auch nicht in Sicht und im vergangenen Jahr ergab sich sogar ein drastischer Wegzug von mehreren Langenthaler Hausärzten. Was also tun? Und welche Hebel gibt es, um den Anstieg der Gesundheitskosten weiter zu bremsen? Ein Fachgespräch mit Dr. med. Samuel Leuenberger, Geschäftsführer der HasliPraxis AG, und FDP-Stadträtin Franziska Zaugg.
Dieser Text entstand im Rahmen der Serie «Rendez-vous mit … | Eine Serie der FDP.Die Liberalen Langenthal».
Gespräch aufgezeichnet von Patrick Jordi
Franziska Zaugg: Samuel Leuenberger, seit über vier Jahren vertreten Sie den ärztlichen Bezirksverein Oberaargau im Vorstand der Ärztegesellschaft des Kantons Bern (BEKAG). Warum ist das für unsere Region von Vorteil?
Samuel Leuenberger: Mir ist es sehr wichtig, dass unsere Region besser kantonal wahrgenommen wird. Als Vorstandsmitglied der BEKAG kann ich einen standespolitischen Beitrag leisten und innerhalb der Ärzteschaft unter anderem Werbung für unsere Region machen.
Franziska Zaugg: Das scheint ja dringend nötig zu sein – der Hausärztemangel ist nach wie vor sehr präsent.
Samuel Leuenberger: Ja, leider ist das Problem nach wie vor akut.
Patrick Jordi: Wie besorgniserregend ist die Situation bei uns konkret?
Samuel Leuenberger: Ein aktueller Bericht des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) zeigt, dass der Hausärztemangel innerhalb des Kantons Bern in der Region Oberaargau – nebst den Regionen Oberhasli und Oberemmental – am dramatischsten ist. Und innerhalb des Oberaargaus ist es in Langenthal, wo man am stärksten unter dem Hausärztemangel «schwitzt und leidet». Wir haben in der Stadt nach wie vor eine klare Unterversorgung. Auch in der HasliPraxis müssen wir leider nach wie vor Patientinnen und Patienten vertrösten, die uns gerne neu als Hausarztpraxis hätten. Es belastet auch uns, dass sämtliche Langenthaler Grundversorger-Praxen mehrheitlich einen Aufnahmestopp verhängen müssen und wir für einen Teil der Bevölkerung so nicht verfügbar sind. Daneben, dass es ein Glücksfall ist, wenn man mal eine neue Hausärztin oder Hausarzt findet, ergab sich leider im vergangenen Jahr der Wegzug von mehreren Hausärzten und Hausärztinnen, die während Jahren in Langenthal gut situiert waren.
Patrick Jordi: Wo genau drückt denn der Schuh?
Samuel Leuenberger: Die Region Oberaargau wird von der Ärzteschaft zu wenig wahrgenommen, da wir innerhalb des Kantons eher als Randregion gelten. Dabei verfügen wir eigentlich – wie wir hier ja alle wissen – über sehr attraktive Wohngegenden und über gute Verkehrsanschlüsse in die ganze Schweiz.
Franziska Zaugg: Die Standortattraktivität als solches kann also nicht das Hauptproblem sein.
Samuel Leuenberger: Nein. Der Hauptgrund, wieso Langenthal nochmals schlechter dasteht als der ländliche Oberaargau, ist ein wirtschaftlicher: Bei den Medikamentenabgaben besteht nur eine partielle Selbstdispensation.
Patrick Jordi: Können Sie das bitte erklären?
Samuel Leuenberger: Einfach ausgedrückt: Hausärzte dürfen in Langenthal nur eingeschränkt Medikamente an ihre Patientinnen und Patienten abgeben. Dies, weil wir gemäss kantonaler Regelung in der Stadt über genügend Apotheken verfügen, die eine Medikamentenabgabe rund um die Uhr sicherstellen können. Als Langenthaler Patient muss man also von Gesetzes wegen viele rezeptpflichtige Medikamente bei den Apotheken beziehen.
Franziska Zaugg: Und wie hängt das mit dem Hausärztemangel zusammen?
Samuel Leuenberger: In einer sogenannten Selbstdispensations-Praxis kann dank der Medikamentenverkäufe ein deutlich höherer Umsatz generiert werden. So wird eine Neueröffnung oder Übernahme einer Hausarztpraxis in einer der Berner Kleinstädte nochmals deutlich unwahrscheinlicher als auf dem Land. Dies, obschon gerade Langenthal eine zwar bescheidene, aber doch äusserst attraktive Kleinstadt ist, wo es alles gibt, was es braucht und man sich trotzdem noch kennt.
Franziska Zaugg: Für den Mangel verantwortlich ist anscheinend auch, dass Ärztinnen und Ärzte, die sich auf ein medizinisches Fachgebiet spezialisiert haben, umfangreicher für ihre Leistungen entschädigt werden als grundversorgende Hausärztinnen und Hausärzte. Stimmt das?
Samuel Leuenberger: Das ist tendenziell schon so. Länder, die Generalisten und Spezialisten gleichstellen, kennen kein Grundversorgungs-Problem. Es sind auf nationaler Ebene Bestrebungen im Gange, die darauf abzielen, dass die ärztlichen Grundleistungen gegenüber den technischen Spezialleistungen besser honoriert werden. Das veraltete TARMED soll durch die neue Tarifstruktur TARDOC abgelöst werden. Mit Betonung auf «soll», denn wir warten im Moment darauf, dass die Pauschaltarife in den Spezialfächern definiert sind. Der Bundesrat besteht hier auf eine gleichzeitige Einführung. Die Bestrebungen ziehen sich daher dahin.
Patrick Jordi: Das sind ja ganz düstere Aussichten für die Hausarztmedizin im Oberaargau, wenn alles so schleppend vorwärtsgeht und die Bedingungen für neue Medizinerinnen und Mediziner so unattraktiv sind ...
Samuel Leuenberger: Genau, obschon Sofortmassnahmen, die zur Verbesserung beitragen können, nie ganz ausgeschlossen sind. Im Zuge der Volksabstimmung vom 15. Mai 2014, als der direkte Gegenentwurf zur eidgenössischen Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» mit sehr grosser Mehrheit angenommen wurde, ist als Sofortmassnahme beispielsweise der Konsultationszuschlag je Patientin eingeführt worden. Das hat vorübergehend zu einer Entschärfung geführt. Leider ist aber dann der Masterplan «Hausarztmedizin und medizinische Grundversorgung» unter Alt-Bundesrat Berset ins Stocken geraten.
Franziska Zaugg: Was mich als Stadträtin aber schon noch brennend interessieren würde: Herrscht bei den Langenthaler Hausarztpraxen denn ein genereller Aufnahmestopp für neue Patientinnen und Patienten?
Patrick Jordi: Genau! Man hört immer wieder von Personen, die neu in Langenthal wohnhaft sind und die schlichtweg keinen lokal ansässigen Hausarzt beziehungsweise keine neue Hausärztin finden.
Samuel Leuenberger: Nein, einen generellen Aufnahmestopp gibt es in Langenthal nicht.
Franziska Zaugg: Was sagen Sie also Patientinnen und Patienten, die gerne neu in die HasliPraxis kommen möchten?
Samuel Leuenberger: Wir müssen die Situation fortlaufend neu beurteilen. Sobald wir eine neue Fachärztin oder neuen Facharzt im Team haben, können wir wieder aufnehmen. Aber im Moment – mit mir und zwei weiteren praktizierenden Ärztinnen – können wir in der Gemeinschaftspraxis keine neuen Patienten behandeln. Mit Dr. Ines Darmann, Dr. Johanna Rigazzi und aktuell einer Assistenzärztin haben wir drei talentierte und sehr beliebte Ärztinnen mit im Team. Uns ist wichtig, dass wir zu dritt – zusammen mit unserem medizinischen Praxispersonal – nicht nur eine hohe Verfügbarkeit, sondern auch eine hohe ärztliche Qualität aufrechterhalten können. Der Workload muss akzeptabel bleiben. Sollten wir weitere Fachärztinnen oder Fachärzte anstellen können – genügend Platz in der Praxis hat es dafür –, dann sieht die Situation natürlich wieder anders aus. Eine weitere Notwendigkeit ist die Reorganisation der hausärztlichen Notfalldienste. Für meine Kolleginnen, die beide auch familiär stark gefragt sind, stellen diese Dienste eine grosse Belastung dar.
Patrick Jordi: Führt die HasliPraxis zurzeit also eine Warteliste für neue Patientinnen und Patienten?
Samuel Leuenberger: Ja, wir werden dies neu einführen.
Patrick Jordi: Wieder generell auf das Problem bezogen – tut mir leid, wir hacken gerade ziemlich auf dem Thema Hausärztemangel herum, aber es ist halt doch sehr akut und deswegen spannend... Welchen Einfluss hat der Wunsch vieler Ärztinnen und Ärzte, nur noch Teilzeit arbeiten zu wollen?
Franziska Zaugg: Das wollte ich auch ansprechen: Meinen Informationen zufolge wollen heute rund 38 Prozent aller jungen Medizinerinnen und Mediziner «nur» drei Tage pro Woche oder sogar noch weniger arbeiten. Dadurch geht doch potenzielle Sprechstundenzeit «verloren»? Und überhaupt: Kann die so wichtige Arzt-Patienten-Beziehung vor dem Hintergrund der Teilzeitarbeit noch genügend gepflegt werden?
Samuel Leuenberger: Zuerst zur zweiten Frage: Hier sehe ich keine grösseren Probleme. Auch in einem 40-Prozent-Pensum können Menschen mit akuten und chronischen Problemen betreut werden. Ein Vorteil der Gemeinschaftspraxis! Bei noch tieferen Pensen wird es nach unserer Erfahrung schwierig für alle Beteiligten. Interkurrent können medizinische Probleme innerhalb der HasliPraxis selbst oder durch den Hausärzte-Notfall des Spitals SRO gelöst werden.
Franziska Zaugg: Okay, verstehe.
Samuel Leuenberger: Der Wunsch nach Teilzeitarbeit ist kein isoliertes Phänomen der Hausarztmedizin. Heutzutage wollen Arbeitnehmende in sehr vielen Branchen nur noch Teilzeit arbeiten. Arbeitgebende müssen sich heute nach diesen Wünschen richten, wir haben keine andere Wahl.
Patrick Jordi: Wie sieht das denn konkret bei Ihnen in der Praxis aus?
Samuel Leuenberger: Ich selbst arbeite in einem Voll-Pensum, was in meinem Fall acht Sprechstunden-Halbtage bedeutet und zwei für die Arbeiten, die im Rahmen der Geschäftsführung und der Weiterbildung unserer Nachwuchsärztin anfallen. Meine beiden mitpraktizierenden Ärztinnen arbeiten in einem 70- respektive in einem 60-Prozent-Pensum.
Patrick Jordi: Können Sie zusammenfassen – was würde konkret helfen, dem Hausärztemangel bei uns und anderswo entgegenzuwirken?
Samuel Leuenberger: Auf kommunaler Ebene sind innovative Ideen gefragt, wie der beschriebene wirtschaftliche Nachteil kompensiert werden kann. Daneben wäre es sehr hilfreich, wenn eine gute Willkommenskultur für neue Ärzte und Ärztinnen entstehen würde. Die städtischen Kommunikations- und Marketingkanäle für die Akquisition neuer Hausarztmedizinerinnen und -mediziner sollten genutzt werden. Alleine sind wir hier auf verlorenem Posten. Wir hatten auch bereits dreimal eine Temporär-Ärztin mit im Team. Dies führte zu einer akzeptableren Arbeitsbelastung der übrigen Ärzte und Ärztinnen und zu einer Entlastung der Notfallstation. Für die Praxis hingegen war es jedes Mal defizitär. Auf kantonaler Ebene braucht es indessen eine Neugestaltung der Notfalldienstorganisation, damit es auch für junge Ärztinnen und Ärzte mit Kinderbetreuung attraktiv bleibt. Und national gesehen gibt es verschiedene Stossrichtungen. Die wichtigste ist, mehr Studienplätze anzubieten und den ungeeigneten Numerus clausus (Anmerkung des Verfassers: Test für Zulassungsbeschränkung für Medizin-Studierende) abzuschaffen und so für potenzielle Hausärztinnen und Hausärzte mehr Studienplätze anzubieten. Es macht mich wütend zu sehen, wie einer meiner Neffen zweimal am NC scheitert und anschliessend mit 5,5er und 6er die ETH abschliesst!
Franziska Zaugg: Kommen wir weg vom Hausärztemangel und schwenken zum zweiten grösseren Thema über, das wir mit Ihnen besprechen wollen: die stetig steigenden Gesundheitskosten in der Schweiz. Was sind Ihrer Meinung nach die grössten Treiber dieser gefühlten Kostenexplosion im Gesundheitswesen?
Samuel Leuenberger: Ganz grundsätzlich muss in diesem Zusammenhang festgehalten werden, dass die Gesundheitskosten immer schon gestiegen sind. Das liegt an der wissenschaftlichen Weiterentwicklung in der Medizin und der zunehmenden Lebenserwartung der Menschen. Es ist wenig hilfreich ist, wenn wir in diesem Zusammenhang von «explodierenden» oder «exorbitant steigenden» Gesundheitskosten reden, wie sich häufig Gesundheitspolitiker zu profilieren versuchen. Solche Ausdrücke sind emotional behaftet und spiegeln die Wahrheit nicht korrekt wider.
Patrick Jordi: Aber es ist doch einfach so – die Gesundheitskosten nehmen Jahr für Jahr zu.
Samuel Leuenberger: Das schon. Fakt ist aber auch, dass das Kostenwachstum pro Jahr stetig abnimmt. Gewisse Massnahmen, die man hierzulande gegen die steigenden Gesundheitskosten bereits lanciert hat, greifen also durchaus.
Franziska Zaugg: Trotzdem könnten wir alle bestimmt noch mehr tun, um das Gesundheitswesen zu entlasten. Mein Eindruck ist, dass heute viele Menschen viel schneller und auch öfter zum Arzt gehen, weil sie bei gewissen Symptomen – sagen wir mal: bei Bauchschmerzen – sofort das Gefühl haben, die Ursache dafür sei etwas ganz Schlimmes. Ein Gefühl, das nicht zuletzt durch «Halbwissen» genährt wird, das man sich als betroffene Person während einer flüchtigen Internet-Recherche angeeignet hat – «Doktor Google» lässt grüssen ...
Samuel Leuenberger: Ich stimme zu, dass die Selbstkompetenz der Menschen, gewisse gesundheitliche Probleme lösen zu können – wir reden von Bagatellfällen –, eher abgenommen hat. Von Google-Recherchen rate ich in diesem Zusammenhang klar ab, da bei einer Symptomabfrage, wie überall, die spektakulärsten und am häufigsten angeklickten Seiten als erstes «aufploppen». So werden nicht selten Angstzustände und Erwartungshaltungen getriggert. Nichtsdestotrotz würde ich nicht von einem Trend sprechen, dass die Leute heute viel öfter und schneller zum Arzt kommen. Häufigere Hausarztkonsultationen sind nicht ein wesentlicher Kostentreiber im Gesundheitswesen. Viele Menschen meiden Praxen aufgrund einer hohen Krankenkassen-Franchise. Dies verunmöglicht viele sinnvolle und auch kosteneffektive Vorsorgemassnahmen.
Franziska Zaugg: Wie sieht es mit Zuweisungen zu Spezialisten aus? Treiben diese die Kosten an?
Samuel Leuenberger: Sagen wir mal so: Es gibt heute effektiv mehr Patientinnen und Patienten, die zu mir kommen und beispielsweise sagen: Ich will jetzt einfach mal ein MRI machen, damit ich endlich weiss, was bei mir Sache ist. So einfach ist es aber natürlich nicht. Zusatzuntersuchungen sind nur dann kosteneffektiv und sinnvoll, wenn eine klare Fragestellung vorausgeht. Unnötige Zuweisungen zu Spezialisten versuchen wir, auch im Sinne der spezialisierten Ärztinnen und Ärzte, natürlich zu meiden, denn sie sind in der Tat kostentreibend. Manchmal führen Zeitnot und selten Patienten-Begehrlichkeiten zu vermehrten Zuweisungen. Zunehmend werden auch Routine-Kontrollen in Spezialpraxen durchgeführt, einfach aufgrund der fehlenden Valenzen in den allgemeininternistischen Praxen.
Patrick Jordi: Wir könnten wohl noch bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag über die steigenden Gesundheitskosten diskutieren. Um das Thema abzukürzen: Samuel Leuenberger, wo liegen aus Ihrer fachlichen Perspektive die grössten Hebel, um die Kosten noch besser in den Griff zu kriegen?
Samuel Leuenberger: Es liegt der breite Konsens vor, dass dies in der Stärkung der Grundversorgung besteht. Die Frage ist mehr, welches die geeigneten Mittel dazu sind. Es gibt einige Sparmöglichkeiten, bei denen keine Qualitätseinbussen zu befürchten sind. Wichtige Schlagworte sind dabei die gezielte Nachwuchsförderung, die Förderung der interprofessionellen Zusammenarbeit und der Abbau der Administration. Bei der Digitalisierung und der Spitalplanung müssen wir wohl oder übel in grösserem Rahmen denken. Die Kantonsgrenzen sind hier nicht geeignet. Eine nützliche und kostensparende Digitaltransformation im Gesundheitswesen wird erst zum Fliegen kommen, wenn der Bund den Auftrag zur Umsetzung an den geeignetsten Player übergibt. Mit 26 kantonalen Lösungen und etwa gleich vielen IT-Systemen bleiben wir chancenlos. Die Idee von Links mit Einführung einer öffentlichen Krankenkasse führt zu einer Monopolstellung und zu starker Ökonomisierung von Gesundheitsleistungen. Die Reduktion auf drei Kassen erscheint mir allerdings sinnvoll. Dies führt nicht nur zu Einsparungen, sondern auch weniger Abwerbungen von guten Fachkräften, die wir dringend an der «Front» benötigen würden.
Franziska Zaugg: Kommen wir zum Schluss noch auf lokale und eher persönliche Themen zu sprechen. In Langenthal stehen ja die Wahlen kurz bevor. Samuel Leuenberger, inwieweit interessieren Sie sich für die Lokalpolitik?
Samuel Leuenberger: Ich interessiere mich (fast) für alles und verfolge daher konsequenterweise auch, welche Themen in Langenthal diskutiert werden. Bestimmt werde ich im Oktober auch wählen gehen.
Patrick Jordi: Könnten Sie sich auf lokalem Parkett sogar eine Kandidatur für ein politisches Amt vorstellen?
Samuel Leuenberger: Das momentan weniger. Diplomatie und Rhetorik sind nicht unbedingt meine Hauptfächer (augenzwinkernd). Ich habe einen regen und wertvollen Austausch mit meiner Schwester Regina Leuenberger Huber, die für politische Geschäfte deutlich geeigneter ist. Mein Fokus liegt am Ende des Tages eben doch auf der Gesundheitspolitik. In diesem Zusammenhang leiste ich meinen standespolitischen Beitrag als Mitglied der Ärztekammer der FMH auf nationaler Ebene sowie als Vorstandsmitglied bei der BEKAG (kantonale Ärztegesellschaft) und im Ärztlichen Bezirksverein Oberaargau. Die Nachwuchsförderung in der Grundversorgung ist auf allen Stufen mein Hauptthema. Allem voran in der Stadt Langenthal!
Franziska Zaugg: Apropos Gesundheitspolitik: Wie nehmen Sie diesbezüglich die FDP wahr?
Samuel Leuenberger: Ganz allgemein – und auch mit Blick auf die Vergangenheit – kann ich anmerken, dass das Gesundheitswesen und die Ärzteschaft eher von Mitte-Links unterstützt wurden. Im Moment allerdings, angesichts der Herausforderungen und Probleme, die im Gesundheitswesen anstehen, hilft liberales Gedankengut tatsächlich besser, um einen Schritt voranzukommen – ganz im Sinne von: Regulationen abwenden und Innovationen fördern. Grundwerte der FDP also. Die Partei kann in der Gesundheitspolitik also durchaus eine wichtige Rolle wahrnehmen. Hüten müssen wir uns vor planwirtschaftlichen Kostendeckelungen!
Franziska Zaugg: (scherzhaft) Früher galten in einem Dorf der Pfarrer, der Lehrer und der Arzt als die Respektspersonen schlechthin. Merken Sie davon heute noch etwas? Wird Ihnen noch Respekt gezollt?
Samuel Leuenberger: (lacht) Eigentlich glaube ich nicht, dass wir schlechter als der Lehrer und der Pfarrer dastehen ... Nein, klar gibt es hier eine Entwicklung, die ja durchaus begrüssenswert ist und für eine moderne Demokratie spricht. Hinterfragt zu werden heisst ja nicht, dass man nicht mehr respektiert wird. Das Arzt-Patienten-Verhältnis ist heutzutage sicherlich ein anderes als noch vor 50 oder 100 Jahren. Man begegnet einander auf Augenhöhe. Das ist auch gut so. Ich kann dem Trend, dass heute viele Menschen eine eigene, starke Meinung haben und dadurch ihre Selbstkompetenz fördern, sehr viel Gutes abgewinnen.
Patrick Jordi: Schlussfrage: Ist für Sie die Profession des Hausarztes nach wie vor ein Traumberuf?
Samuel Leuenberger: «Traum» ist vielleicht ein etwas grosses Wort. Ich würde den Hausarzt-Beruf sicherlich nochmals erlernen, ihn aber nicht unbedingt weiterempfehlen (lacht). Es ist ein toller Job, der jedoch mit vielen Entbehrungen, vor allem in der Aus- und Weiterbildung, verbunden ist. Es kommt aber auch sehr viel zurück. Der Beruf eignet sich für alle, die sich gleichermassen für die Naturwissenschaften und für die Mitmenschen interessieren. Ich selbst fühle mich in der Medizin jedoch auch nach zwölf Jahren Spitaltätigkeit und weiteren zwölf Jahren als Hausarzt immer noch sehr zuhause. Ich sehe es nach wie vor als grosses Privileg, Menschen in wichtigen Gesundheitsfragen abzuklären, zu behandeln und zu beraten. Die Hausarztpraxis ist äusserst vielseitig, weniger stark Richtlinien-gebunden als andere Disziplinen und erlaubt es, massgeschneiderte Individuallösungen für die Menschen zu schmieden. Natürlich hat der Hausarzt-Beruf auch seine Risiken und Nebenwirkungen: So ist es beispielsweise sinnvoll, sich früh auch in Abgrenzung-Strategien zu üben und seine persönlichen Grenzen zu kennen.
Zur Person – Samuel Leuenberger
Samuel Leuenberger (52) ist in Bannwil aufgewachsen, heute wohnt er in Langenthal. 1999 hat er sein Medizinstudium in Bern abgeschlossen. Nach einer allgemeininternistischen Weiterbildung in Olten und Langenthal und ergänzenden Assistenzstellen in Anästhesie, Intensivmedizin, Chirurgie und Orthopädie war er während vier Jahren als Oberarzt in der Medizinischen Klinik des Spital Region Oberaargau SRO in Langenthal tätig. Seit 2011 arbeitet er als Hausarzt (Facharzt für Allgemein Innere Medizin FMH). 2012 hat er die Gemeinschaftspraxis HasliPraxis AG mitgegründet, der er als Geschäftsführer vorsteht. Pascal Ruf von der RUF Ärztetreuhand AG, der seit Geburt der HasliPraxis in verschiedensten Funktionen mitwirkt, ist ihm ein wichtiger Sparringpartner. In Absprache mit ihm definiert Samuel Leuenberger die strategische Stossrichtung und entwickelt die HasliPraxis weiter. Die Gemeinschaftspraxis böte Platz für maximal acht Hausärztinnen und Hausärzte; aktuell praktizieren in den Räumen an der St.-Urbanstrasse neben ihm (Vollzeitpensum) noch zwei weitere Fachärztinnen (Teilzeitpensa) und eine Assistenzärztin. Der 52-Jährige ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern. In seiner Freizeit würde er sich gerne wieder vermehrt mit Saxofon, Posaune und Akkordeon in verschiedene Musikprojekte einbringen.
Zur Person – Franziska Zaugg
Franziska Zaugg (52) ist Langenthaler Stadträtin, Vizepräsidentin der FDP.Die Liberalen Langenthal und Fraktionspräsidentin FDP/jll. Nach ihrer Ausbildung an der NMS Bern hat sie als Lehrerin gearbeitet und während mehrerer Jahre in Langenthal 5./6. Klassen unterrichtet. Franziska Zaugg ist Vize-Präsidentin der Volksschulkommission, Präsidentin der Gymo-Kommission, Mitglied im bzl-Rat sowie Präsidentin der Kita/Tagi Windrose. Die 52-Jährige ist verheiratet mit Stephan Zaugg (Eigentümer Zaugg AG Rohrbach) und hat vier erwachsene Kinder. Ihrer Leidenschaft fürs Cappucchino-Trinken geht sie am liebsten im ala carte nach.
Rendez-vous mit … | Eine Serie der FDP
Wie geht es den Langenthalerinnen und Langenthalern im Wahljahr 2024? Welche Themen beschäftigen sie? Was läuft gut in der Stadt? Wo unternimmt die lokale Politik noch zu wenig? Die Kandidierenden der FDP.Die Liberalen Langenthal wollen der Bevölkerung im Wahljahr und darüber hinaus den Puls fühlen. In der Serie «Rendez-vous mit …» treffen Amtsanwärterinnen und -anwärter der FDP auf Persönlichkeiten, die in Langenthal eine wichtige Rolle einnehmen und für die Stadt prägend sind. Aus den spannenden Gesprächen nehmen die Kandidierenden Inputs mit, die ins Programm der hiesigen FDP für die Legislatur 2025 bis 2028 einfliessen werden. Konkrete Veränderungen sind also das Ziel dieser Aufeinandertreffen. Alle Interviews zum Nachlesen gibt’s auf dem Blog der FDP.Die Liberalen Langenthal: www.liberaublau.ch. Bereits erschienen ist im Februar das Gespräch zwischen Parteipräsidentin Stefanie Barben und Braui-Wirt René Marti, im März das Gespräch zwischen FDP-Stadtrat Robert Kummer und Création-Baumann-CEO Philippe Baumann sowie im Juni das Gespräch zwischen FDP-Stadträtin Deborah Nyffenegger und Berufsfachschul-Rektor Marcel Joss.
Transparenz-Hinweis: Franziska Zaugg (bisher) und Patrick Jordi (neu) kandidieren diesen Herbst im Namen der FDP für den Stadt- und Gemeinderat in Langenthal.
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