Seit 1947 baut die Firma Witschi Lebensraum. Heuer kann das breit aufgestellte Langenthaler Baugeschäft also sein 77-Jahr-Jubiläum feiern. Das Unternehmen tut dies im Rahmen von Treffpunkt Werk, den Tagen der offenen Werke im Oberaargau. Am 13. und 14. September kann auf dem Werkhofgelände an der Murgenthalstrasse 87 in Langenthal auf spielerische Art ein Werk Golf absolviert werden (siehe Infoabschnitt weiter unten). Ich habe mit CEO Bendicht Witschi über vergangene, gegenwärtige und zukünftige Zeiten gesprochen. Ein Jubiläums-Interview.
Dieses Interview ist im Rahmen eines Mandats für das Jahrbuch Oberaargau respektive für die Witschi AG entstanden. Es wurde in dieser Form auch im Unter-Emmentaler vom 6. September 2024 publiziert. Weitere Witschi-Texte im Jahrbuch Oberaargau 2024 (erhältlich ab November) sowie im «Baukurier» der Witschi AG.
Bendicht Witschi, auf einer Skala von eins bis zehn – wie geht es der Witschi AG aktuell?
Das ist eine schwierige Frage. Wir liegen ungefähr bei einer Sieben, würde ich behaupten. Als KMU, das vor allem im Bauhauptgewerbe tätig ist, stellen sich uns ständig neue Herausforderungen, es eröffnen sich aber auch immer wieder neue Chancen.
Ich dachte, wer in Ihrer Branche tätig ist, verdient relativ locker viel Geld.
Dass sich Baufirmen dumm und dämlich verdienen, ist ein Klischee, das sich hartnäckig hält. Dem ist nicht so. Früher sah die Welt vielleicht noch ein bisschen anders aus. Ende des letzten Jahrhunderts konnte man sich auf dem Bau noch gewisse Versäumnisse erlauben und war trotzdem rentabel.
Das ist heute also ganz klar nicht mehr so?
Nein, die Luft ist extrem dünn geworden. Es gibt heute zahlreiche Mitbewerbende, die bei Ausschreibungen mit spekulativen Angeboten Bauaufträge gewinnen wollen. Gepaart mit einem professionellen Claim Management (Nachtragseinforderungen) wird am Schluss dann anders abgerechnet als ursprünglich angeboten.
Warum gibt es die Witschi AG in diesem hart umkämpften Umfeld trotzdem noch?
Wir setzen auf Vertrauen. Bauen ist Vertrauenssache, der Auftraggeber und der Ausführende begeben sich zusammen auf eine Reise. Am Ende dieser Reise muss eine Abrechnung vorliegen, die den offerierten Zahlen entspricht. Wenn diesbezüglich am Schluss keine allzu grosse Differenz entsteht und der Bauherr und dessen Vertretung mit dem fertiggestellten Bauobjekt vollumfänglich zufrieden sind, stellt sich ein gutes Gefühl ein. Dieses Gefühl, das auf beiden Seiten entstehen muss, wollen wir erreichen. Wir sind fest überzeugt davon, dass sich Transparenz auszahlt. Nur so entsteht Vertrauen. Wir müssen nicht zwingend die günstigste Firma sein, aber wir möchten zu den Besten gehören. Nicht nur in der Bauausführung, die qualitativ top sein muss, sondern auch darin, wie wir zusammen mit dem Kunden den Weg beschreiten. Mit guten und verlässlichen Fachleuten, die den Auftraggebenden beratend zur Seite stehen.
Vertrauen entsteht, wenn man sich nahesteht und einander gut kennt.
Genau, darum sind uns auch die lokale Verankerung und die gute Vernetzung sehr wichtig. Wir verfügen in der Region über einen sehr guten und auch loyalen Kundenstamm, der mit uns bauen will.
Wie beurteilen Sie das Image der Witschi AG? Wie wird die Firma in der Region wahrgenommen?
Ich denke, wir werden grundsätzlich als lokal verbundenes Familiengeschäft wahrgenommen. Eine traditionelle, möglicherweise ein bisschen träge und langweilige Bauunternehmung.
Und? Stimmt das?
Ich behaupte, wir sind dynamischer unterwegs als wir wahrgenommen werden.
Warum dynamischer?
Weil wir nicht einfach als klassisches Bauunternehmen gelten, sondern weil die Witschi-Gruppe eigentlich ein Sammelbecken von Kleinunternehmen ist. Unternehmen, die agil neben und miteinander funktionieren. Es sind Organisationseinheiten mit einem hohen Grad an Spezialisierung. Wir führen damit weiter, was schon mein Vater gemacht hat. Über Diversifizierung wollen wir erreichen, dass wir unsere Kunden über einen möglichst langen Zeitraum im Bauprojekt begleiten können.
Können Sie das etwas genauer beschreiben?
Unsere beiden Hauptpfeiler sind der Hochbau (Neubauten, Umbauten, Sanierungen) und der Tiefbau, wozu vor allem der Strassenbau gehört. Daneben machen wir Bodenbeläge und Beschichtungen, betreiben Logistik- und Materialwirtschaft oder unterhalten eine Asbestsanierungsfirma – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Ausserdem investieren wir in neue Geschäftsfelder, die sich auf das ökologische und nachhaltige Bauen beziehen.
Konkret?
Wir haben zuletzt zwei Firmen gegründet, die EcoStreet GmbH und die EcoSoil AG. Letztere richtet sich mit ihrem Angebot an eine neue Generation von Bauherren und Planerinnen, die nach neuen, nachhaltigen Lösungen verlangen. EcoSoil bringt Innovation in Bauprojekte, die den Haushalt der Natur möglichst wenig belasten wollen. Unsere Flüssigboden-Methode ist eine wegweisende Alternative zu konventionellen Verfahren im Tiefbau. Vordergründig geht es darum, Aushubmaterial wiederzuverwenden und dadurch Transporte und Deponievolumen zu sparen. Technisch und kostenseitig ebenbürtig, setzt die Methode bei der Nachhaltigkeit ganz neue Massstäbe. So ermöglichen wir allen Baubeteiligten, verantwortungsvoll zu handeln, Ressourcen zu schonen und ein intelligentes Zeichen zu setzen.
Und was macht die EcoStreet GmbH?
Das Angebot umfasst, grob gesagt, alle Arten von Verkehrsflächensanierungen, die auf Nachhaltigkeit, Langlebigkeit und Qualität ausgerichtet sind. Wir reden hier unter anderem von Randstein-, Fugen- und Risssanierungen, aber auch von Schlaglochbeseitigungen und Korrekturen von Fahrbahnübergängen.
Das «neuste Kind» ist indessen bei ihrem Bruder Michael Witschi angesiedelt, der ebenfalls im Familienunternehmen tätig ist.
Richtig, er hat kürzlich die Solit Energie AG gegründet, die jüngste Tochterfirma der Witschi-Gruppe. Diese Firma hat sich spezialisiert auf smarte, nachhaltige Energielösungen im Bereich Photovoltaik (PV), Stromspeicher-Mobilität und SmartEnergy. Als Energieingenieur kann mein Bruder sein ganzes Wissen in die noch junge, aussichtsreiche Firma einbringen.
Michael Witschi trat 2009 ins Familienunternehmen ein. Sie selbst sind bereits seit 2008 an Bord, als Vertreter der dritten Witschi-Generation. 2009 übernahmen Sie die Geschäftsführung. Verspüren Sie als CEO eines Traditionsunternehmen, das seit 1947 existiert, einen gewissen Druck?
Natürlich ist es mit einer grossen Verantwortung verbunden, eine solche Firma mit einer derart langen Tradition zu führen. Von Druck würde ich jedoch nicht sprechen. Den hatte ich auch 2008 nicht, als ich ins Familienunternehmen eingetreten bin. Ich hatte damals die Wahlfreiheit und hätte beruflich auch etwas anderes machen können. Ich bin jedoch aus Eigeninitiative ins Geschäft eingestiegen, weil mir der Gedanke sehr gefiel, etwas Bestehendes weiterentwickeln zu können.
Statistisch gesehen ist es oftmals die dritte Generation, die ein Unternehmen an die Wand fährt.
(lacht) Stimmt, davon habe ich auch schon gehört. Von dieser Nachricht lasse ich mich aber nicht beunruhigen. Wie eingangs schon erwähnt: Wir sind stabil unterwegs. Das Gute ist auch, dass wir als Familienunternehmen sehr langfristig orientiert sind. Strategisch gesehen denken wir in Abschnitten von zehn, vielleicht sogar zwanzig Jahren. Wenn es wirtschaftlich gesehen einmal nicht so rund läuft, müssen wir nicht auf Teufel komm raus irgendwelche Hauruck-Übungen vollziehen. Das ist der Vorteil einer inhabergeführten Familienstruktur, man muss nicht den Ansprüchen rein gewinnorientierter Investoren gerecht werden.
Wie akut sind Sie vom Fachkräftemangel betroffen?
Relativ stark – und ich befürchte, die Situation wird sich weiter zuspitzen. Schweizweit gesehen haben wir heute in der Baubranche nur halb so viele Lernende wie noch vor zehn Jahren. Dies bei einer gleichbleibenden Gesamtbelegschaft im Bauhauptgewerbe von rund 80'000 Personen. Mit der Witschi AG haben wir deshalb vor einiger Zeit umfangreich ins Lehrlingswesen investiert, für unsere Firmengrösse überproportional. Wir haben extra einen Berufsbildner dafür eingestellt. Diese Fachperson rekrutiert für uns Nachwuchskräfte und bildet diese aus.
Können Sie aktuell noch alle Stellen besetzen?
Glücklicherweise ist es uns bis anhin gelungen, gute, qualifizierte Fachkräfte zu halten. Innerhalb unserer Belegschaft können regelmässig Dienstjubiläen gefeiert werden – 10, 20, 30, 40 Jahre bei Witschi. Es ist schön, so viele langjährige, mit der Firma verbundene Mitarbeitende zu haben. Das und eine gewisse Reputation gegen aussen helfen dabei, dass wir offene Stellen im Moment noch gut besetzen können. Nur manchmal, für einzelne Positionen im Kader – für eine Bauführer-Stelle etwa – müssen wir recht lange suchen.
Sie feiern dieses Jahr ein Jubiläum: 77 Jahre Witschi. Warum diese Zahl? Warum gerade jetzt?
Schon 1996 beging die Firma mit «7x7 Jahre» ein besonderes Jubiläum zum damals 49-jährigen Bestehen. Eine lustige Idee, die wir mit dem 77-Jahr-Jubiläum weiterführen wollen. Es ist wie ein neues Kapitel, das geschrieben wird. Firmenjubiläen mögen etwas verstaubt wirken, doch ich bin der Meinung, dass sie durchaus ihre Berechtigung haben. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, innezuhalten, zu feiern, auf Vergangenes zurückzuschauen und einen Blick in die Zukunft zu richten. Wir sind glücklich darüber, dass es unsere Bauunternehmung nach 77 Jahren immer noch gibt und dass wir nach wie vor für unsere Kunden und Mitarbeiter unterwegs sein dürfen. Welche «Schnapszahl» wir in ferner Zukunft als nächstes feiern werden, kann ich Ihnen heute aber auch noch nicht sagen (schmunzelt).
Das Firmenjubiläum wird im Rahmen der neuen Veranstaltung Treffpunkt Werk gefeiert, ein Anlass, der kommendes Wochenende über die Bühne geht. Warum legen Sie das Jubiläum auf diese Veranstaltung?
Treffpunkt Werk bietet eine tolle Plattform für Unternehmen aus dem Oberaargau. Die teilnehmenden Betriebe können im Rahmen dieser Veranstaltung ihre Werkräume und Werkplätze einem breiten Publikum zugänglich machen. Auch wir tun dies, indem wir die Besucherinnen und Besucher zu uns in den Werkhof an die Murgenthalstrasse einladen. Fürs kommende Wochenende bauen wir aktuell eine umfangreiche Infrastruktur auf. Es ist für uns die perfekte Gelegenheit, um Teile dieser Infrastruktur auch gleich für unser 77-Jahr-Jubiläum zu nutzen, das wir am Freitagabend gemeinsam mit geladenen Gästen feiern werden.
Was erwartet die Besucherinnen und Besucher von Treffpunkt Werk auf dem Werkhof-Areal von Witschi?
Das Herzstück unserer temporären Jubiläums-Infrastruktur ist unser Witschi Werk Golf – ein Golf-Rundkurs, der über das Werkhof-Gelände führt. Wir ermöglichen den Besucherinnen und Besuchern einen Gang hinter den Bauzaun und somit einen Blick hinter unsere Kulissen. Ich lade alle dazu ein, sich auf dem Kurs durch die Baustellen zu spielen, etwas über «77 Jahre Lebensraum bauen» zu lernen, kreative Hindernisse zu überwinden und dabei das Handicap zu verbessern. Langweilig wird es bei uns bestimmt nicht!
Und was bieten Sie sonst noch?
Man wird auf einem Bagger seine Geschicklichkeit trainieren können und für die Kleinen steht ein Sandkasten bereit, wo sie mit Bagger und Lastwagen ihre Bauträume verwirklichen können. Weiter sorgen wir an unserer Baubar für das leibliche Wohl unserer Gäste. Vor oder nach dem Golfturnier können Besucherinnen und Besucher an der Bar eine Stärkung holen – Wurst, Brot, Pommes-Frites, Bier und Mineral werden bereitstehen. Im Waschraum unterhalten wir eine weitere Bar, wo sich Gäste zum Austausch treffen und so gemeinsam ihre nächsten Bauprojekte planen können. Es wird auf alle Fälle ein ereignisreiches Wochenende!
Zu den Meilensteinen der 77-jährigen Firmengeschichte:
Zur Person:
Bendicht Witschi (44) ist CEO der Witschi AG und Mitinhaber und Verwaltungsrat der Witschi-Gruppe. Als Jugendlicher jobbte er auf dem Bau. Nach der obligatorischen Schulzeit schlug er jedoch eine kaufmännische Laufbahn ein. Er absolvierte eine KV-Lehre mit Berufsmatur bei Création Baumann in Langenthal. Für diese Firma konnte er nach dem Lehrabschluss unter anderem im Ausland arbeiten und Berufserfahrungen sammeln. In Bern studierte Bendicht Witschi schliesslich Betriebswirtschaft, gefolgt von Tätigkeiten für Firmen im Exportbereich. 2008 stieg der damals 28-Jährige ins familieneigene Baugeschäft ein. Eine Führungscrew, bestehend aus drei langjährigen Mitarbeitenden, stand damals geschlossen kurz vor der Pensionierung. Bendicht Witschi wurde zunächst als Projektmitarbeiter eingestellt, im Folgejahr übernahm er dann die Geschäftsführung. Seine Freizeit verbringt der heute 44-Jährige gerne mit seiner Frau Martina Flury Witschi, die ebenfalls in der Firma tätig ist, sowie mit seinen beiden Söhnen Louis (15) und Emil (9). Die Familie wohnt im Langenthaler Allmen-Quartier – im Einfamilienhaus, wo Grossvater Friedrich Witschi vor 77 Jahren den Grundstein zur Erfolgsgeschichte des Familienunternehmens gelegt hatte. Wenn es die Zeit zulässt, geht Bendicht Witschi gerne Gleitschirmfliegen oder spielt Klavier. Seine Mitarbeitenden beschreiben ihn als fordernden, aber fairen Chef, der aufgeschlossen ist, klar kommuniziert und für Anliegen stets ein offenes Ohr hat. Die Tür zu seinem Büro ist daher – ausser bei wichtigen Besprechungen – in der Regel sperrangelweit offen.
Tage der offenen Tür bei Witschi
«Treffpunkt Werk» bei der Witschi AG an der Murgenthalstrasse 87 in Langenthal. Öffnungszeiten: Freitag, 9 bis 18 Uhr; Samstag, 9 bis 16 Uhr. Am Samstag gibt es von 9 bis 11 Uhr ein Baustellenznüni (Zopf und Kaffee) an der Baubar. Anschliessend, von 11 bis 12 Uhr, findet eine Spezialvorführung «Boden und Beläge» statt. Was sind Sichtböden? Und was fugenlose Beschichtungen? Interessierte können die Produkte genauer kennenlernen, sich im Showroom umschauen und sich Fragen beantworten lassen. Herzstück der Witschi-Teilnahme bei «Treffpunkt Werk» ist das Witschi Werk Golf – ein Golf-Rundkurs, der übers Werkhofgelände führt. Mehr Infos: www.treffpunkt-werk.ch.
Gut zu wissen:
Dieses Interview mit Witschi-CEO Bendicht Witschi erscheint in einer leicht gekürzten Form auch im Jahrbuch Oberaargau 2024 – zusammen mit weiteren spannenden Texten zur Baufirma Witschi. Das Jahrbuch ist ab November 2024 im lokalen Fachhandel sowie online erhältlich. Mehr Infos: www.jahrbuch-oberaargau.ch.
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