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Auch die Alki- und Drogenszene ändert sich

 

SIP kommt nicht mehr zurück: Das Projekt, mit dem die offene Alkohol- und Drogenszene in Langenthal fast ein Jahrzehnt lang begleitet worden war, braucht es nicht mehr. Zu diesem Schluss kommt Langenthals Gemeinderat. Die Kantonspolizei würde derweil eine Wiedereinführung von SIP (Sicherheit, Intervention, Prävention) begrüssen. Eine paradoxe Situation. Ist man sich grundsätzlich uneinig?

 

Personen aus dem Umfeld der offenen Alkohol- und Drogenszene treffen sich nach wie vor auf dem Wuhrplatz, sorgen aber für weit weniger Störungen als auch schon. Auf dem Platz hat sich über die Jahre eine friedliche Koexistenz entwickelt.
Personen aus dem Umfeld der offenen Alkohol- und Drogenszene treffen sich nach wie vor auf dem Wuhrplatz, sorgen aber für weit weniger Störungen als auch schon. Auf dem Platz hat sich über die Jahre eine friedliche Koexistenz entwickelt.

 

Dieser Artikel erschien am 14. Mai 2024 in der Lokalzeitung Unter-Emmentaler. Sichere dir mit einem Abo die vollumfängliche Berichterstattung in der Region.

 

Mal gibt sie mehr zu reden, mal weniger: Die offene Alkohol- und Drogenszene in Langenthal. Personen aus diesem Umfeld halten sich nach wie vor vorzugsweise auf dem Wuhrplatz auf. Dort aber scheint es – und auch an anderen ehemals brenzligen Orten der Stadt – aktuell zu weniger Störungen und Misstönen zu kommen als auch schon. So jedenfalls sieht es Langenthals Gemeinderat, der sich in seiner Argumentation auf Erfahrungen und Beobachtungen der letzten drei Jahre stützt. Jahre, in denen es aus politischen Gründen keine Patrouillen von SIP mehr gab (siehe Infotext unten).

Es sei in diesen Jahren – auch nach der pandemiebedingt etwas ruhigeren Phase des öffentlichen Lebens – nicht zu Situationen gekommen, die zusätzliche Massnahmen notwendig machen beziehungsweise rechtfertigen würden, schreibt Vize-Stadtpräsident Markus Gfeller auf Nachfrage. Der FDP-Gemeinderat mit dem Ressort Öffentliche Sicherheit hatte an der letzten Stadtratssitzung bei den allgemeinen Mitteilungen des Gemeinderats in aller Kürze verkündet, das Projekt SIP brauche es im Moment nicht mehr; der Gemeinderat verzichte daher darauf, eine entsprechende Vorlage zu bringen.

 

Drogenkonsum eingedämmt

Die Rede ist sogar von Verbesserungen in diesem Zusammenhang: Anscheinend konnte der Konsum von Drogen eingedämmt werden. Dies dank der Stiftung Contact Mobil, die aufgrund der Absenz von SIP mehr Präsenz im öffentlichen Raum gezeigt habe. «Die Organisation ist nun an vier Halbtagen pro Woche präsent, dadurch konnte eine gute Wirkung – beispielsweise eine Abnahme des Betäubungsmittelkonsums im öffentlichen Raum – beobachtet werden», schreibt Markus Gfeller.

Die Stiftung Contact Mobil, die jedoch nach anderen Grundsätzen funktioniert als SIP, übernimmt also im öffentlichen Raum gewisse Betreuungsfunktionen, hauptsächlich auf dem Wuhrplatz. Daneben ist die Kantonspolizei in Absprache mit der Gemeinde für die Sicherheit und öffentliche Ordnung zuständig.

Bei letzterer sei vor dem Entscheid des Gemeinderats eine Stellungnahme eingeholt worden, so Gfeller. Ihre Antwort: «Die Kantonspolizei in Langenthal würde eine Wiedereinführung der SIP-Patrouillen sehr begrüssen.»

 

Kapo befürwortet Patrouillen

Die einen sagen, SIP brauche es noch; die andern finden, man könne es seinlassen. Verwirrend. Was gilt denn nun? Eine Nachfrage bei der Kantonspolizei zeigt, dass sich Gemeinderat und Kantonspolizei nicht grundsätzlich uneinig sind: «Die Kantonspolizei Bern beurteilt die Sicherheitslage in Langenthal nicht anders als die Stadt. Jedoch begrüssen wir das Prinzip der aufsuchenden Patrouillen im Bereich von Jugendlichen – aber auch Erwachsenen – ganz grundsätzlich sowie auch aus präventiver Sicht, woraus sich unsere Empfehlung an die Stadt ergibt», schreibt die Medienstelle der Kantonspolizei.

Weiter dazu Stellung nehmen möchte die Kapo jedoch nicht, da es sich diesbezüglich um einen laufenden politischen Prozess handle und man diesem nicht vorgreifen möchte.

 

90'000 Franken für SIP budgetiert

Salopp gesagt: Die Polizei würde SIP also mit Handkuss nehmen, wenn die Stadt Langenthal das Projekt denn auch weiterhin finanzieren würde. Da man sich bezüglich der Sicherheitslage aber im Grundsatz völlig einig ist, will es der Gemeinderat wagen und den Weg in die Zukunft ohne SIP-Patrouillen beschreiten. Dadurch lassen sich letztlich auch Kosten minimieren. 90'000 Franken waren im städtischen Budget 2024 für SIP eingesetzt worden. Ein Betrag, der nun eingespart werden kann (die Kosten für Contact Mobil fallen unabhängig von SIP an).

Fraglich ist, ob SIP unbürokratisch und schnell wieder eingeführt werden könnte, sollte sich die Situation wider Erwarten drastisch verändern oder zuspitzen. Dazu schreibt Markus Gfeller: «Sofern sich die Lage ändern sollte, kann der Gemeinderat von sich aus jederzeit dem Stadtrat eine entsprechende Vorlage unterbreiten oder, solange es in der Finanzkompetenz des Gemeinderates liegt, sogar selbst eine solche initiieren.»

 


SIP Langenthal – ein politisches Hin und Her

Seit Herbst 2011 und bis Ende 2020 waren in Langenthal die SIP-Patrouillen – kurz für Sicherheit, Intervention, Prävention – aktiv. Mitarbeitende der Kinder- und Jugendfachstelle Langenthal ToKJO kümmerten sich darum, auf dem Wuhrplatz und an anderen sensiblen Orten der Stadt einer offenen Drogen- und Alkoholszene vorzubeugen. Weil der Auftrag 2020 öffentlich ausgeschrieben wurde und sich der Gemeinderat in der Folge für einen anderen Anbieter entschied, lehnte der Stadtrat daraufhin den Kredit für die Weiterführung des Projekts ab.

 

Ende 2020 kam dann ein politischer Vorstoss (zuerst als Motion, später gewandelt in ein Postulat), der vorsah, SIP in Langenthal wieder einzuführen – jedoch mit ToKJO als durchführende Organisation. Diese Ausgangslage stellte die Stadt und den Gemeinderat jedoch vor rechtliche Probleme, weil Einheitslösungen gemäss Submissionsrecht grundsätzlich nicht zulässig sind. Der Gemeinderat blieb trotzdem dran. In diese Zeit fällt die Phase ohne SIP und die Erfahrungen, die damit in Langenthal gemacht wurden (vergleiche Haupttext oben).

 

Im Frühling 2024 hätte der Gemeinderat schliesslich eine Lösung gehabt, die die Wiedereinführung von SIP mit ToKJO ermöglicht hätte. Denn: «Das Submissionsrecht sieht gewisse Ausnahmen vor, damit öffentliche Aufgaben nicht ausgeschrieben werden müssen. Somit hätte SIP als öffentliche Aufgabe reglementarisch festgelegt werden müssen», beschreibt FDP-Gemeinderat Markus Gfeller die Möglichkeiten in diesem Zusammenhang. ToKJO hätte also dank der Schaffung eines neuen Reglements wieder zum Zug kommen können. «Dies hätte jedoch auch bedeutet, dass später auf die Aufgabe nicht mehr ohne weiteres hätte verzichtet werden können – zuerst hätte dann das Reglement wieder aufgehoben werden müssen», führt Gfeller die eher komplexen Hintergründe dieses Geschäfts aus. Hätte, wäre, wenn ... das spielt nun keine Rolle mehr, denn SIP-Patrouillen sind aufgrund jüngster Erfahrungen mit der offenen Alkohol- und Drogenszene offenbar gar nicht mehr nötig.

 

Dass der Gemeinderat nun gänzlich darauf verzichtet, eine Vorlage zu bringen, ist im Übrigen zulässig und nachvollziehbar: Da das Postulat anlässlich der Stadtratssitzung vom 29. November 2021 behandelt und abgeschrieben worden war, lag seitens des Stadtrates kein Auftrag an den Gemeinderat mehr vor. Somit lag/liegt es in der Kompetenz des Gemeinderates zu entscheiden (unter Berücksichtigung der reglementarischen Finanzkompetenzen), ob und wann eine neue Aufgabe eingeführt werden soll.

 

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