Zu einem Mini-Eklat kam es anlässlich der letzten Stadtratssitzung: Stadtrat Georg Cap (Grüne) suggerierte in einer an und für sich sinnstiftenden und wachrüttelnden Wortmeldung, Vertreter der hiesigen SVP stünden womöglich der rechtsextremen Gruppierung «Junge Tat» nahe. Das liess sich Patrick Freudiger nicht bieten – der SVP-Stadtrat holte unverzüglich zum verbalen Gegenschlag aus.
Der Originaltext erschien am 30. März 2024 in der Printausgabe des Unter-Emmentaler.
Viel Spannendes förderte die letzte Stadtratssitzung nicht zutage. Gerade deshalb wirkte die persönliche Erklärung von Stadtrat Georg Cap nach Abschluss der offiziellen Traktandenliste wie ein Paukenschlag. Je länger seine Wortmeldung am Schluss der Sitzung dauerte, desto eher versuchte der Grüne-Politiker, die Stadträtinnen und Stadträte der SVP-Fraktion in ein Licht zu rücken, das nicht wenige Leute als anrüchig und schief bezeichnen würden.
Dabei begann Caps Erklärung eigentlich völlig sachlich: Er wolle etwas deponieren, das von diversen besorgten Leuten aus der Langenthaler Bevölkerung an ihn herangetragen worden sei, sagte er. Und er wünsche, dass dieser Umstand auch von den lokalen Politikerinnen und Politikern wahrgenommen werde.
Cap berichtete, am Wochenende vor Ostern seien an vielen Orten in Langenthal – und ganz besonders rund um die Kreuzfeld-Schulhäuser – massenhaft Aufkleber aufgetaucht. Aufkleber, die zweifelsfrei in Zusammenhang mit rechtsextremen Organisationen wie beispielsweise der Jungen Tat stünden. Durch die Motive und Botschaften der Aufkleber würde problematisches, wenn nicht sogar rassistisches und gewaltbereites Gedankengut verbreitet, sagte ein sichtlich besorgter Georg Cap. Um seiner Aussage noch mehr Ausdruck zu verleihen, präsentierte der Grüne-Stadtrat den Anwesenden eine mittelgrosse Einkaufstüte, gefüllt mit Aufklebern, die laut Cap von besorgten Bürgerinnen und Bürgern entfernt und ihm übergeben worden waren.
Erinnerung an dunkle Zeiten
«Es ist wüstes Gedankengut, dass hier verbreitet worden ist. Der Zwischenfall erinnert an Zeiten, in denen in Langenthal Neonazis im Umfeld der Pnos für Probleme gesorgt hatten. Der Vorfall zeigt zudem auf, dass es in Langenthal bis heute Menschen mit solch wüstem Gedankengut gibt und die es zu verbreiten versuchen.» Er bedauere dies sehr, sagte Cap, kenne er «sein» Langenthal doch als eine mehrheitlich florierende und lebenswerte Stadt mit einem relativ hohen Ausländeranteil, dessentwegen es jedoch kaum zu Spannungen komme. «Eigentlich ist Langenthal ein Vorbild dahingehend, wie Integration erfolgreich vollzogen werden kann. In diesem Langenthal hat rechtsradikales Gedankengut nichts verloren!», urteilte Cap. Eindringlich richtete er sich an seine Stadtratskolleginnen und -kollegen: «Ich hoffe, ihr alle gebt mir recht und seht es so wie ich. Wenn nicht, seid ihr dazu eingeladen, euch mal eine Runde zu schämen.»
Zufall – ja oder nein?
Bis hierhin blieb Cap, wenngleich seine Aussagen emotional aufgeladen waren, sachlich. Dann vollzog er allerdings eine Wende und richtete sich bewusst an die SVP und deren Vertreterinnen und Vertreter im Stadtrat. Der Grüne-Politiker warf die Frage auf, ob es denn Zufall sein könne, dass solche Aufkleber mit rechtsextremem Gedankengut ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt auftauchten, da die SVP in Langenthal politische Veranstaltungen durchführe. Zur Erinnerung: Am Wochenende vor Ostern hielt die SVP Schweiz im Hotel Meilenstein ihre Delegiertenversammlung ab – rund 800 Personen nahmen daran teil (der «UE» berichtete).
Zwar versuchte Cap seinen Wink mit dem Zaunpfahl noch abzuschwächen, indem er sagte, er wolle den anwesenden SVP-Stadträten keine Schuld geben – es sei klar, dass die SVP-Fraktion mit diesem Vorfall nicht direkt etwas zu tun habe. Zu diesem Zeitpunkt war das Unheil jedoch bereits angerichtet. Dem SVP-Flügel im Stadtrat war die Empörung anzusehen. Patrick Freudiger erhob sich und lief erbost nach vorne zur Sitzungsleitung, wo er Vize-Stadtratspräsidentin Niluja Nadesalingam (sie musste an diesem Abend für die abwesende Saima Sägesser einspringen) wohl klarmachte, sie müsse den Redenden unverzüglich unterbrechen – oder aber ihm selbst, Patrick Freudiger, ebenfalls noch das Wort erteilen.
Genau deuten konnte man den hitzigen Wortwechsel zwischen Freudiger und Vize-Präsidentin von den Zuschauerrängen aus leider nicht.
Item: Derweil sich Patrick Freudiger vorübergehend wieder setzte, fuhr Georg Cap mit seinem pikanten Votum fort. Er wolle ein Bewusstsein dafür schaffen, dass die Politik der SVP offenbar auch Leute anziehe, die dem rechten Gedankengut nahestehen würden und sich durch gewisse Botschaften der SVP dazu motiviert sähen, solches Gedankengut in die Bevölkerung hinauszutragen. «Darum appelliere ich an euch: Bitte überlegt euch bei der nächsten Parolenfassung oder bei sonstigen Entscheidungen gut, ob in den Botschaften nicht vielleicht ein bisschen zu viel Populismus drinsteckt», schloss Cap sein Statement.
«Schlichtweg unanständig»
Schlag auf Schlag ging es weiter. Die Vize-Stadtratspräsidentin erteilte Patrick Freudiger das Wort. Dieser trat ans Rednerpult; sichtlich konsterniert zwar, in der Stimme aber bereits wieder gefasst.
Er finde es schlichtweg unanständig, dass hier versucht werde, eine Nähe der lokalen SVP zu rechtsextremen Gruppierungen zu konstruieren. «Ja, man hatte eine gutbesuchte Delegiertenversammlung. Dabei lief aber alles in demokratischen Bahnen ab; so, wie es in unserer Partei üblich ist», erläuterte Freudiger. Der Versuch Georg Caps sei vor diesem Hintergrund «einfach billig». Es entwerte den sehr guten Anfang seines Statements, denn die allgemeine Sorge bezüglich rechtsextremer Tendenzen sei durchaus berechtigt, so Freudiger weiter. Dieser stellte unmissverständlich klar, welche Haltung die hiesige SVP gegenüber rechtsextremen Gruppierungen hat. Die Junge Tat bezeichnete Freudiger etwa als «Grüsel», mit denen man nichts zu tun haben wolle. Ausserdem sagte er, die Aktivitäten der Jungen Tat seien generell zu verurteilen.
Heikles Mitteilungsgefäss
Der SVP-Stadtrat zeigte sich irritiert darüber, dass Cap für sein Statement das Gefäss der persönlichen Erklärung gewählt habe. In Artikel 37 der Geschäftsordnung des Stadtrates ist die Nutzung der persönlichen Erklärung sehr allgemein formuliert. Dort heisst es: «Jedes Stadtratsmitglied, die Fraktionen und die Mitglieder des Gemeinderates sind berechtigt, nach Abschluss der Traktandenliste eine Erklärung abzugeben. Diese Erklärung ist kurz und sachlich zu halten.» Patrick Freudiger, selbst langjähriger Stadtrat, betonte, er selbst sei der Meinung, dieses Mitteilungsgefäss sei vor allem dafür da, damit sich jemand äussern könne, sofern er oder sie sich persönlich angegriffen fühle. «Wir sollten aufpassen, dass dieses Gefäss nicht inflationär und missbräuchlich genutzt wird», sagte Freudiger. Dass Georg Cap es für seine eben gemachte Bekundung genutzt habe, sei «schlicht unnötig» gewesen.
Damit war zu diesem Thema alles gesagt. Niluja Nadesalingam konnte alle Anwesenden nur noch mit dem üblichen Läuten des Sitzungsglöckchens in den angebrochenen Abend entlassen. Sie, die Vize-Stadtratspräsidentin, hätte sich für ihren Einstand als Sitzungsleiterin bestimmt einen etwas harmonischeren Ausklang ausmalen können ...
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Serge Wüthrich (Sonntag, 31 März 2024 08:43)
War diese Dame ev. auch an der SVP Delegiertenversammlung in Langenthal und hatte ihre Freunde dabei?
https://www.blick.ch/politik/sarah-regez-und-die-rechtsextremen-svp-politikerin-besuchte-geheimtreffen-mit-martin-sellner-id19589525.html