Weihnachtskarten verschickt die Stadt keine mehr, stattdessen spendet die Verwaltungsleitung einen Betrag von 1000 Franken an eine gemeinnützige Organisation. In diesem Jahr kommt der Verein Gassechuchi zum Zug. Wie es der Zufall will, profitiert die Gassechuchi gleichzeitig auch vom Ratskredit 2023 des Stadtrats in der Höhe von ebenfalls 1000 Franken. Doppeltes Glück also für eine Organisation, die in ihren Anfängen in Langenthal eher untendurch musste.
Dieser Artikel erschien am 22. Dezember 2023 in der Printausgabe der Lokalzeitung Unter-Emmentaler.
Einfach hatte es die Gassechuchi Langenthal in ihren Anfangszeiten in den Nullerjahren nicht. Dies führte SP-Stadträtin Cornelia Gerber in ihren Ausführungen zur Verwendung des Ratskredits 2023 den Anwesenden, die sich zur letzten Stadtratssitzung dieses Jahres in der Alten Mühle eingefunden hatten, deutlich vor Augen. «Die Gassechuchi wurde von der Stadt zwar geduldet, aber noch nicht unterstützt», führte Gerber aus. Erst mit der Zeit, als offensichtlich wurde, welch unschätzbaren Wert die Freiwilligenarbeit des Vereins zugunsten hilfsbedürftiger Menschen aus der Region hat, wurde der Gassechuchi von der Stadt eine grössere Wertschätzung entgegengebracht. Beispielsweise kann der Verein inzwischen unentgeltlich mehrere Räume im Wooghüsli bei der Markthalle nutzen. Diese sind auch dringend nötig – denn mittlerweile werden dort jeden Mittwoch unzählige mit Lebensmittel gefüllte Taschen sowie weitere Gegenstände des täglichen Bedarfs und Kleider an Menschen abgegeben, die von Armut betroffen sind oder sich in einer schwierigen Lebenslage befinden (Der «Unter-Emmentaler» berichtete).
Diese Wertschätzung wird nun untermauert durch den Ratskredit des Stadtrats, der in diesem Jahr turnusgemäss durch die SP/GL-Fraktion vergeben werden durfte. «Ich habe Hochachtung vor der Arbeit der Gassechuchi und danke dem ganzen Freiwilligenteam des Vereins von Herzen», sagte Cornelia Gerber im Namen ihrer Fraktion. Die vorbehaltlose Zustimmung sowie der Applaus von 39 anwesenden Stadträtinnen und Stadträten zeigte, dass mit der diesjährigen Verwendung des Ratskredits, der jeweils 1000 Franken beträgt, alle Parlamentsmitglieder sehr gut leben können.
2004 ins Leben gerufen
Doch damit noch nicht genug der anerkennenden Gesten an die Adresse der Gassechuchi: Der Verein erhält nämlich, nebst des Ratskredits 2023, noch weitere 1000 Franken – doppeltes Glück also für die gemeinnützige Organisation, die 2004 von Esther Schönmann ins Leben gerufen worden war und die dem Verein heute, mit über achtzig Jahren, nach wie vor als Präsidentin vorsteht. Die zweiten eintausend Franken fliessen Esther Schönmann und ihrem Team vonseiten der Verwaltungsleitung der Stadt Langenthal zu, die entschieden hat, ihre Spende, die durch den Verzicht des Weihnachtskarten-Versandes zustande kommt, in diesem Jahr der Gassechuchi Langenthal zuteilwerden zu lassen. Mit dieser Tradition, zu Weihnachten und zum Jahreswechsel Karten mit guten Wünschen zu verschicken, brach die Stadt bereits vor einigen Jahren. Seither kommt jährlich eine gemeinnützige Organisation in den Genuss einer Spende, wie aus der Medienmitteilung hervorgeht, die gleichentags an die Öffentlichkeit ging, wie auch die Verwendung des Ratskredits kommuniziert wurde.
Man musste also schon genauer hinschauen, um zu erkennen, dass es sich hierbei nicht um bloss eine Spende, sondern gleich um deren zwei zugunsten der Gassechuchi handelt. Dass der Verein sowohl die eine als auch die andere Zuwendung bekommt, hat keine besonderen Hintergründe. «Es besteht kein Zusammenhang, die Vergabe der beiden Beträge an die Gassechuchi ist purer Zufall», sagt Stadtschreiber Daniel Steiner auf Anfrage.
Sägesser wird Ratspräsidentin
Abgesehen von der Verwendung des Ratskredits standen bei der letzten Stadtratssitzung des Jahres vor allem administrative Geschäfte auf der Traktandenliste. Unter anderem musste für 2024 noch das Stadtratsbüro neu bestellt werden. Da das Stadtratspräsidium im kommenden Jahr turnusgemäss der SP/GL-Fraktion zusteht, wurde die bisherige Vizepräsidentin, SP-Stadträtin Saima Sägesser, zur höchsten Langenthalerin gewählt. GLP-Stadträtin Niluja Nadesalingam wurde derweil zur neuen Vizepräsidentin erkoren.
Als Stimmenzähler fungieren 2024, erhöht auf der Bühne im Rücken des Gemeinderates, die Stadträte Diego Clavadetscher (FDP) und Corinna Grossenbacher (SVP). In dieser Konstellation geht das Büro des Stadtrats ins für Langenthal richtungsweisende Wahljahr 2024.
Finalisierung steht noch aus
Zu befassen hatte sich der Stadtrat ausserdem noch mit einer Motion, die in Zusammenhang steht mit der städtischen Immobilienstrategie – beziehungsweise: mit der nach wie vor ausstehenden städtischen Immobilienstrategie. Denn die Verabschiedung einer solchen stellte der Gemeinderat eigentlich bereits Mitte 2021 in Aussicht, und zwar bis spätestens Ende 2021.
Doch die Finalisierung kam nie. Aufgrund der erheblichen Verzögerung wurde schliesslich dieses Jahr im Juni eine Motion eingereicht, die querbeet von Stadträten sämtlicher parteipolitischer Couleur unterzeichnet worden war. Die Motion hat zum Ziel, die angekündigte Immobilienstrategie bis spätestens Mitte 2024 in Kraft zu setzen.
Geld sparen dank Strategie
Diesem Ansinnen will der Gemeinderat ganz offensichtlich nachkommen, wie er an der Stadtratssitzung am Montagabend bekannt gab. Sowohl eine schriftliche Stellungnahme des Gemeinderats wie eine ausserordentliche mündliche Stellungnahme von Gemeinderat Roberto Di Nino (SVP), Ressortvorsteher Finanz- und Steuerwesen, wurden ins Feld geführt, um die Verzögerungen bei diesem Geschäft zu begründen und das weitere Vorgehen zu erklären. Lange Rede, kurzer Sinn: Die Motion, deren Urvater Stadtrat Martin Lerch (SVP) ist, wurde vom Stadtparlament schliesslich einstimmig als Motion mit Richtliniencharakter qualifiziert und erheblich erklärt. Martin Lerch, der die Motion in seinem Votum direkt vor der Abstimmung unverblümt als «Durchsetzungsmotion» bezeichnet hatte, gab ebenfalls zu Protokoll, der Gemeinderat werde nun an seinen Versprechungen gemessen; es werde erwartet, dass die städtische Immobilienstrategie nun bis im Sommer 2024 in Kraft gesetzt werde.
Die Strategie soll letztlich eine optimale Nutzung der städtischen Liegenschaften sicherstellen. Dadurch lasse sich viel Geld einsparen, heisst es im Motionstext verheissungsvoll.
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