Für seine Grösse hat Langenthal nach wie vor eine einzigartige und besonders vielfältige Fasnacht. Doch schon seit längerem drängt sich eine Modernisierung auf. Dies, weil einige althergebrachte Programmpunkte und Traditionen nicht mehr ganz dem aktuellen Zeitgeist entsprechen. Jetzt darf die Auffrischung endlich angepackt werden. Für viele Fasnächtlerinnen und Fasnächtler ein wichtiger Durchbruch.
Ein Durchbruch ist es deshalb, weil eigentlich schon seit vielen Jahren klar ist, dass die Fasnacht in gewissen Punkten überarbeitet werden sollte. Doch die Umstände dafür waren in der Vergangenheit nicht immer günstig: Zuletzt konnten leichte Modernisierungsschritte wegen der pandemiebedingten Zwangspause nicht wie geplant umgesetzt werden; und in den Jahren davor waren entsprechende Revisionsabsichten, die vor allem vonseiten der Guggenmusiken geäussert worden waren, innerhalb Langenthals Fasnachtsszene schlichtweg (noch) nicht salonfähig.
Jetzt jedoch scheint die Zeit endlich reif zu sein für die nötigen Veränderungen und Anpassungen. An ihrer Hauptversammlung haben die Cliquenchefs zusammen mit dem Fasnachtskomitee einen Antrag gutgeheissen, dessen Absichten den Weg hoffentlich ebnen werden für weitere zukunftsweisende Entscheidungen.
Im Raum standen sofortige Änderungen
An der Hauptversammlung hatten die Fasnächtlerinnen und Fasnächtler sogar die Qual der Wahl: Sie mussten sich entscheiden zwischen einem Antrag der Langenthaler Fasnachtsgesellschaft (LFG) und einem Antrag aus den eigenen Cliquenreihen, vorgetragen von der Guggenmusik Blächsuger.
Letzterer beinhaltete gleich zwei Unteranträge und hätte die LFG, die in Langenthal für die Organisation der Fasnacht verantwortlich ist, zeitlich und organisatorisch sehr stark in die Pflicht genommen: Gröbere Programmanpassungen hätten gemäss diesen Unteranträgen bereits für die kommende Fasnacht umgesetzt sein müssen.
Sprich: Die LFG hätte nur noch knapp acht Monate Zeit gehabt, den Forderungen nachzukommen – ein fast nicht zu bewältigender Kraftakt, wenn man bedenkt, dass die Fasnacht nächstes Jahr bereits Mitte Februar, also ausgesprochen früh, stattfindet.
Ein deutlich weniger sportliches Vorgehen sah der als Gegenvorschlag konzipierte Antrag der LFG vor. Gemäss diesem werden umfassende Änderungen erst für die Fasnacht 2025 ins Auge gefasst.
Das Rennen machte schliesslich der Antrag der Fasnachtsgesellschaft, und zwar mit einem grossen Mehr von 44 Ja-Stimmen zu einer Nein-Stimme bei 4 Enthaltungen. Somit ist klar, dass die Fasnacht 2024 nochmals in einem mehr oder weniger gewohnten Rahmen stattfinden wird.
Damit können offensichtlich auch die Guggenmusiken leben, die teilweise auf ein rascheres Vorgehen gepocht hatten. «Für uns ist es okay, wenn die Änderungen erst 2025 kommen», sagte etwa Thomas Brechbühl, Präsident der Blächsuger, im Namen der Antragsteller.
Freitagabend als Streitpunkt
Wäre es nach dem Gusto der Blächsuger (und anderer Guggenmusiken) gegangen, hätte man schon per 2024 sowohl den Startzeitpunkt der Fasnacht als auch deren Abschluss mehr oder weniger komplett überarbeitet und reorganisiert.
Ein Problem stellt insbesondere der Freitagabend dar, also der Auftakt zur Fasnacht. Dieser liege den Guggen schwer im Magen, heisst es im Schreiben der Blächsuger: «Wir Guggen dürfen nicht in Langenthal spielen (Ausnahme: Markthalle), dafür aber rund um Langenthal. Für uns ist dies nicht nachvollziehbar.» Gerade am Freitagabend seien in den Gassen im Stadtzentrum bereits viele Passiv-Fasnächtler und Zuschauer unterwegs, die regelrecht «giggerig» seien auf die Fasnacht und die Guggenmusiken.
Angesprochen wird in dem Schreiben im Grunde ein recht altbekanntes Problem: Aufgrund bisheriger Strukturen dürfen die Guggenmusiken am Freitagabend in Langenthal noch nicht draussen in den Gassen auftreten. Dies, weil gleichzeitig in Langenthal der Gönnerabend über die Bühne geht, eine traditionelle Veranstaltung mit ausgewählten Cliquen, die ausschliesslich drinnen stattfindet (neuerdings nur noch in zwei Lokalen: Bären und Alte Mühle).
Früher – also mittlerweile vor Jahrzehnten – konnten am Gönnerabend noch alle auftreten; es existierten damals noch nicht so viele Cliquen, die Gönnerabend-Lokale waren zahlreicher, und die Guggen waren bei weitem noch längst nicht so gross und mitgliederstark wie heute.
Inzwischen können (und wollen) jedoch längst nicht mehr alle Guggen am Gönnerabend teilnehmen. Es gibt nicht mehr genügend Platz für alle. Und für die Mehrheit der Guggen ist es heutzutage auch nicht mehr sonderlich attraktiv, am Gönnerabend aufzutreten. Ihr Stil hat sich zu sehr verändert, die Guggen spielen heute lieber für das (Ausgeh-)Publikum auf der Gasse. Und dieses schart sich, wie die Blächsuger richtig ausführen, in Langenthal bekanntermassen bereits am Freitagabend zusammen – so natürlich auch an der Fasnacht.
Der Fasnachtsfunke springt in Langenthal also schon seit vielen Jahren bereits am Freitagabend auf die Aktivfasnächtler und die breite Bevölkerung über – und nicht erst am Samstagnachmittag, wenn gemäss dem bisherigen Programm die Strassenfasnacht «offiziell» eröffnet wird.
Idee: Gönnerabend im Parkhotel
Aufgrund dieses «Missstandes» hätte der erste Unterantrag der Blächsuger vorgesehen, den Gönnerabend ab 2024 vom Stadtzentrum ins Parkhotel zu verlagern, wo mit der Westhalle eine grosszügige Eventlokalität zur Verfügung steht. Die Vorteile dabei: Mehr Platz für Publikum und Darbietende, alle unter einem Dach, gute Infrastruktur sowie beste Möglichkeiten zur Bewirtung der Gäste.
Die Verlagerung hätte bewirkt, dass das Stadtzentrum frei würde für all jene Guggen, die nicht am Gönnerabend teilnehmen können beziehungsweise nicht daran teilnehmen möchten. Ein Einmarsch der Guggen ins Stadtzentrum wäre in diesem Zusammenhang ebenfalls noch angedacht gewesen, damit der Start in die Strassenfasnacht trotzdem einigermassen koordiniert und möglichst publikumsfreundlich erfolgen kann.
Im Gegenzug, so der zweite Unterantrag der Blächsuger, würde die Fasnacht bereits am Montagabend mit dem Cliquen-Charivari enden, und nicht wie heute erst am Dienstagabend. Die Begründung: Am Dienstag sei ausser dem Charivari nicht mehr gross was los, sogar langjährige Fasnachtsbeizen hätten an diesem Abend neuerdings geschlossen. «Macht es da wirklich Sinn, dass wir uns in der menschenleeren Marktgasse gegenseitig anspielen?», lautet die rhetorische Frage der Blächsuger.
Ihr pragmatischer Vorschlag deshalb: Den Charivari auf Montagabend, 21 Uhr, ansetzen. Danach «Uslumpete» in den Beizen – und fertig. «Die Fasnacht wäre somit um einen Tag kürzer, aber nicht minder attraktiv. Durch den Freitagabend können wir Fasnächtler diesen kompensieren», begründen die Blächsuger auf nachvollziehbare Weise.
LFG will auf die Wünsche eingehen
«Mit diesen Gedanken und Vorschlägen rennt ihr bei der LFG grundsätzlich offene Türen ein», versicherte Langenthals höchste Fasnächtlerin, Oberin Renate Niklaus, an der Hauptversammlung allen Anwesenden, richtete sich dabei aber insbesondere an die Adresse der Guggenmusiken. «Wir können und wollen die Fasnacht nicht am Publikum und an den Aktiven vorbeiorganisieren. Wir müssen zeitgemäss sein und auch bleiben, was heisst, dass Traditionen durchaus angepasst werden dürfen – aber wir wollen diese keinesfalls einfach über den Haufen werfen», so die Oberin weiter.
Betreffend den aktuellen Änderungsbegehren rief Niklaus klar in Erinnerung, dass die Vorbereitungszeit für die Fasnacht 2024 ausgesprochen kurz sei. Zu kurz eben für wirklich gröbere Anpassungen. Auch weitere Punkte wie etwa das bereits genehmigte Budget seien zu beachten. «Diese recht einschneidenden Änderungen haben finanzielle Konsequenzen. Auswirkungen, die wir im aktuellen Budget 2023/2024 gar nicht berücksichtigt haben», so Niklaus weiter.
Die Fasnachtsoberin will ausserdem sicherstellen, dass alle Fasnächtlerinnen und Fasnächtler in die Pläne für das Facelifting mit einbezogen werden. Will heissen: Nicht nur Guggen sollen mitreden können, sondern auch Schnitzelbänke, Wagencliquen, Komiteemitglieder sowie allenfalls weitere Beteiligte, die zwar nicht direkt der LFG angehören, die aber in die Fasnachtsplanung ebenfalls in irgendeiner Form involviert sind – dazu zählen unter anderen Langenthals Gastrobetriebe im Stadtzentrum sowie die Behörden der Stadt. Eine Inklusion aller Beteiligten scheint in diesem Zusammenhang besonders wichtig zu sein.
Alle an einen Tisch bringen
Der von der Versammlung schlussendlich gutgeheissene Antrag der LFG sieht deshalb vor, in absehbarer Zukunft mehrere Workshop-Veranstaltungen durchzuführen, im Rahmen derer sich alle Beteiligten mit Ideen und Änderungsvorschlägen einbringen können. «Selbstverständlich nehmen wir auch die Anregungen aus den beiden Unteranträgen der Blächsuger in diesen Prozess mit auf», versicherte Niklaus.
Das Arbeiten in Workshops und Arbeitsgruppen habe sich im Rahmen der Fasnacht zuletzt sehr bewährt. Als Beispiel nannte Niklaus die Lösung, die für die Plan-B-Fasnacht 2022 hatte erarbeitet werden können. Ähnlich erfolgreich war 2018/2019 die Arbeitsgruppe, die das Sommernachts-Fescht in der Marktgasse entwickelt hatte. Im Rahmen dieser Organisation wurde eindrücklich bewiesen, wie erfolgreich eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen Fasnachtscliquen, LFG-Komitee und Behörden sein kann.
Es besteht deshalb die grosse Hoffnung, dass das nun anstehende Facelifting der Langenthaler Fasnacht unter einem ähnlich erfolgreichen Stern steht. Und ob die gewünschten Änderungen nun bereits 2024 kommen oder erst ein Jahr später – das macht den Braten jetzt auch nicht mehr wirklich feiss.
Dieser Artikel ist am 23. Juni 2023 in der Lokalzeitung «Der Unter-Emmentaler» erschienen. Weitere Infos & Abobestellungen: unter-emmentaler.ch.
Kommentar schreiben